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welches so wie das politische aus Freiheit und Eigenthum besteht, wo jene als Bedingung nothwendig vor diesem vorhergehen muß; folglich den oberen Facultäten kein Recht verstattet werden kann, ohne daß es der unteren zugleich erlaubt bleibe, ihre Bedenklichkeit über dasselbe an das gelehrte Publicum zu bringen.

Anhang

einer Erläuterung des Streits der Facultäten durch das Beispiel desjenigen zwischen der theologischen und philosophischen.

I.

Materie des Streits.

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Der biblische Theolog ist eigentlich der Schriftgelehrte für den Kirchenglauben, der auf Statuten, d. i. auf Gefeßen beruht, die aus der Willkür eines andern ausfließen; dagegen ist der rationale der Vernunftgelehrte für den Religionsglauben, folglich denjenigen, der auf innern Gesetzen beruht, die sich aus jedes Menschen eigener Vernunft 15 entwickeln lassen. Daß dieses so sei, d. i. daß Religion nie auf Saßungen (so hohen Ursprungs sie immer sein mögen) gegründet werden könne, erhellt selbst aus dem Begriffe der Religion. Nicht der Inbegriff gewisser Lehren als göttlicher Offenbarungen (denn der heißt Theologie), sondern der aller unserer Pflichten überhaupt als göttlicher Gebote (und subjectiv 201 der Marime sie als solche zu befolgen) ist Religion. Religion unterscheidet sich nicht der Materie, d. i. dem Object, nach in irgend einem Stücke von der Moral, denn sie geht auf Pflichten überhaupt, sondern ihr Unterschied von dieser ist blos formal, d. i. eine Gesetzgebung der Vernunft, um der Moral durch die aus dieser selbst erzeugte Idee von Gott auf den mensch- 25 lichen Willen zu Erfüllung aller seiner Pflichten Einfluß zu geben. Darum ist sie aber auch nur eine einzige, und es giebt nicht verschiedene Religionen, aber wohl verschiedene Glaubensarten an göttliche Offenbarung und deren statutarische Lehren, die nicht aus der Vernunft entspringen können, d. i. verschiedene Formen der finnlichen Vorstellungsart des göttlichen 30 Willens, um ihm Einfluß auf die Gemüther zu verschaffen, unter denen das Christenthum, so viel wir wissen, die schicklichste Form ist. Dies findet sich nun in der Bibel aus zwei ungleichartigen Stücken zusammengefeßt, dem

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einen, welches den Kanon, dem andern, was das Organon oder Vehikel der Religion enthält, wovon der erste der reine Religionsglaube (ohne Statuten auf bloßer Vernunft gegründet), der andere der Kirchenglaube, der ganz auf Statuten beruht, genannt werden kann, die einer Offenbarung 5 bedurften, wenn sie für heilige Lehre und Lebensvorschriften gelten sollten. - Da aber auch dieses Leitzeug zu jenem Zweck zu gebrauchen Pflicht ist, wenn es für göttliche Offenbarung angenommen werden darf, so läßt sich daraus erklären, warum der sich auf Schrift gründende Kirchenglaube bei Nennung des Religionsglaubens gemeiniglich mit verstanden wird.

Der biblische Theolog sagt: suchet in der Schrift, wo ihr meinet das ewige Leben zu finden. Dieses aber, weil die Bedingung desselben keine andere als die moralische Besserung des Menschen ist, kann kein Mensch in irgend einer Schrift finden, als wenn er sie hineinlegt, weil die dazu erforderlichen Begriffe und Grundsäße eigentlich nicht von irgend einem 15 andern gelernt, sondern nur bei Veranlassung eines Vortrages aus der eigenen Vernunft des Lehrers entwickelt werden müssen. Die Schrift aber enthält noch mehr, als was an sich selbst zum ewigen Leben erforderlich ist, was nämlich zum Geschichtsglauben gehört und in Ansehung des Religionsglaubens als bloßes sinnliches Vehikel zwar (für diese oder jene 20 Person, für dieses oder jenes Zeitalter) zuträglich sein kann, aber nicht nothwendig dazu gehört. Die biblisch-theologische Facultät dringt nun darauf als göttliche Offenbarung in gleichem Maße, als wenn der Glaube desselben zur Religion gehörte. Die philosophische aber widerstreitet jener in Ansehung dieser Vermengung und dessen, was jene über die eigentliche 25 Religion Wahres in sich enthält.

Zu diesem Vehikel (d. i. dem, was über die Religionslehre noch hinzukommt) gehört auch noch die Lehrmethode, die man als den Aposteln selbst überlassen und nicht als göttliche Offenbarung betrachten darf, sondern beziehungsweise auf die Denkungsart der damaligen Zeiten (xar' 30 avdршлоv) und nicht als Lehrstücke an sich selbst (nat' ahyDelav) geltend annehmen kann, und zwar entweder negativ als bloße Zulassung gewisser damals herrschender, an sich irriger Meinungen, um nicht gegen einen herrschenden, doch im Wesentlichen gegen die Religion nicht streitenden damaligen Wahn zu verstoßen (z. B. das von den Besessenen), oder auch 35 positiv, um sich der Vorliebe eines Volks für ihren alten Kirchenglauben, der jegt ein Ende haben sollte, zu bedienen, um den neuen zu introduciren. (3. B. die Deutung der Geschichte des alten Bundes als Vorbilder von

dem, was im neuen geschah, welche als Judaism, wenn sie irrigerweise in die Glaubenslehre als ein Stück derselben aufgenommen wird, uns wohl den Seufzer ablocken kann: nunc istae reliquiae nos exercent. Cicero.)

Um deswillen ist eine Schriftgelehrsamkeit des Christenthums manchen Schwierigkeiten der Auslegungskunst unterworfen, über die und deren 5 Princip die obere Facultät (der biblische Theolog) mit der unteren in Streit gerathen muß, indem die erstere als für die theoretische biblische Erkenntniß vorzüglich besorgt die leßtere in Verdacht zieht, alle Lehren, die als eigentliche Offenbarungslehren und also buchstäblich angenommen werden müßten, wegzuphilosophiren und ihnen einen beliebigen Sinn 10 unterzuschieben, diese aber als mehr aufs Praktische, d. i. mehr auf Religion als auf Kirchenglauben, sehend umgekehrt jene beschuldigt durch solche Mittel den Endzweck, der als innere Religion moralisch sein muß und auf der Vernunft beruht, ganz aus den Augen zu bringen. Daher die lettere, welche die Wahrheit zum Zweck hat, mithin die Philosophie im 15 Falle des Streits über den Sinn einer Schriftstelle sich das Vorrecht an= maßt, ihn zu bestimmen. Folgendes find die philosophischen Grundsäße der Schriftauslegerei, wodurch nicht verstanden werden will, daß die Auslegung philosophisch (zur Erweiterung der Philosophie abzielt), sondern daß blos die Grundsäße der Auslegung so beschaffen sein müssen: weil 20 alle Grundsäße, sie mögen nun eine historisch- oder grammatisch-kritische Auslegung betreffen, jederzeit, hier aber besonders, weil, was aus Schriftstellen für die Religion (die blos ein Gegenstand der Vernunft sein kann) auszumitteln sei, auch von der Vernunft dictirt werden müssen.

II.

Philosophische Grundsäße der Schriftauslegung zu
Beilegung des Streits.

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I. Schriftstellen, welche gewisse theoretische, für heilig angekündigte, aber allen (selbst den moralischen) Vernunftbegriff übersteigende Lehren enthalten, dürfen, diejenige aber, welche der praktischen Vernunft 30 widersprechende Säße enthalten, müssen zum Vortheil der leßteren ausgelegt werden. Folgendes enthält hiezu einige Beispiele.

a) Aus der Dreieinigkeitslehre, nach dem Buchstaben genommen, läßt sich schlechterdings nichts fürs Praktische machen, wenn man sie gleich zu verstehen glaubte, noch weniger aber wenn man inne wird, daß 35

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fie gar alle unsere Begriffe übersteigt. Ob wir in der Gottheit drei oder zehn Personen zu verehren haben, wird der Lehrling mit gleicher Leichtigkeit aufs Wort annehmen, weil er von einem Gott in mehreren Personen (Hypostasen) gar keinen Begriff hat, noch mehr aber weil er 5 aus dieser Verschiedenheit für seinen Lebenswandel gar keine verschiedene Regeln ziehen kann. Dagegen wenn man in Glaubensfäßen einen moralischen Sinn hereinträgt (wie ich es: Religion innerhalb den Gränzen 2. versucht habe), er nicht einen folgeleeren, sondern auf unsere moralische Bestimmung bezogenen verständlichen Glauben enthalten 10 würde. Eben so ist es mit der Lehre der Menschwerdung einer Person der Gottheit bewandt. Denn wenn dieser Gottmensch nicht als die in Gott von Ewigkeit her liegende Idee der Menschheit in ihrer ganzen ihm wohlgefälligen moralischen Vollkommenheit*) (ebendaselbst S. 73 f.)'), sondern als die in einem wirklichen Menschen „leibhaftig wohnende“ und als 15 zweite Natur in ihm wirkende Gottheit vorgestellt wird: so ist aus diesem Geheimnisse gar nichts Praktisches für uns zu machen, weil wir doch von uns nicht verlangen können, daß wir es einem Gotte gleich thun sollen, er also in so fern kein Beispiel für uns werden kann, ohne noch die Schwierigkeit in Anregung zu bringen, warum, wenn solche Vereinigung einmal 20 möglich ist, die Gottheit nicht alle Menschen derselben hat theilhaftig werden lassen, welche alsdann unausbleiblich ihm alle wohlgefällig geworden wären. Ein Ähnliches kann von der Auferstehungs- und Himmelfahrtsgeschichte eben desselben gesagt werden.

*) Die Schwärmerei des Postellus in Venedig über diesen Punkt im 25 16ten Jahrhundert ist von so originaler Art und dient so gut zum Beispiel, in welche Verirrungen, und zwar mit Vernunft zu rasen, man gerathen kann, wenn man die Versinnlichung einer reinen Vernunftidee in die Vorstellung eines Gegenstandes der Sinne verwandelt. Denn wenn unter jener Idee nicht das Abstrac tum der Menschheit, sondern ein Mensch verstanden wird, so muß dieser von irgend 30 einem Geschlecht sein. Ist dieser von Gott Gezeugte männlichen Geschlechts (ein Sohn), hat die Schwachheit der Menschen getragen und ihre Schuld auf sich ge= nommen, so sind die Schwachheiten sowohl als die Übertretungen des anderen Geschlechts doch von denen des männlichen specifisch unterschieden, und man wird nicht ohne Grund versucht anzunehmen, daß dieses auch seine besondere Stellver35 treterin (gleichsam eine göttliche Tochter) als Versöhnerin werde bekommen haben; und diese glaubte Postell in der Person einer frommen Jungfrau in Venedig gefunden zu haben.

1) VI 60f.

Ob wir fünftig blos der Seele nach leben, oder ob dieselbe Materie, daraus unser Körper hier bestand, zur Identität unserer Person in der andern Welt erforderlich, die Seele also keine besondere Substanz sei, unser Körper selbst müsse auferweckt werden, das kann uns in praktischer Absicht ganz gleichgültig sein; denn wem ist wohl sein Körper so lieb, daß 5 er ihn gern in Ewigkeit mit sich schleppen möchte, wenn er seiner entübrigt sein kann? Des Apostels Schluß also: „Ist Christus nicht auferstanden (dem Körper nach lebendig geworden), so werden wir auch nicht auferstehen (nach dem Tode gar nicht mehr leben)" ist nicht bündig. Er mag es aber auch nicht sein (denn dem Argumentiren wird man doch nicht auch 10 eine Inspiration zum Grunde legen), so hat er doch hiemit nur sagen wollen, daß wir Ursache haben zu glauben, Christus lebe noch, und unser Glaube sei eitel, wenn selbst ein so vollkommner Mensch nicht nach dem (leiblichen) Tode leben sollte, welcher Glaube, den ihm (wie allen Menschen) die Vernunft eingab, ihn zum historischen Glauben an eine öffent= 15 liche Sache bewog, die er treuherzig für wahr annahm und sie zum Be= weisgrunde eines moralischen Glaubens des künftigen Lebens brauchte, ohne inne zu werden, daß er selbst dieser Sage ohne den leßteren schwerlich würde Glauben beigemessen haben. Die moralische Absicht wurde hiebei erreicht, wenn gleich die Vorstellungsart das Merkmal der Schul- 20 begriffe an sich trug, in denen er war erzogen worden. Übrigens stehen jener Sache wichtige Einwürfe entgegen: die Einsetzung des Abendmahls (einer traurigen Unterhaltung) zum Andenken an ihn sieht einem förm= lichen Abschied (nicht blos aufs baldige Wiedersehen) ähnlich. Die klagende Worte am Kreuz drücken eine fehlgeschlagene Absicht aus (die 25 Juden noch bei seinem Leben zur wahren Religion zu bringen), da doch eher das Frohsein über eine vollzogne Absicht hätte erwartet werden sollen. Endlich der Ausdruck der Jünger bei dem Lucas: „Wir dachten, er solle Ifrael erlösen" läßt auch nicht abnehmen, daß sie auf ein in drei Tagen erwartetes Wiedersehen vorbereitet waren, noch weniger, daß ihnen von 30 seiner Auferstehung etwas zu Ohren gekommen sei. Aber warum sollten wir wegen einer Geschichtserzählung, die wir immer an ihren Ort (unter die Adiaphora) gestellt sein lassen sollen, uns in so viel gelehrte Untersuchungen und Streitigkeiten verflechten, wenn es um Religion zu thun ist, zu welcher der Glaube in praktischer Beziehung, den die Ver- 35 nunft uns einflößt, schon für sich hinreichend ist.

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b) In der Auslegung der Schriftstellen, in welchen der Ausdruck un

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