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würden, und da die Fruchtbarkeit in Paarungen durch die Heterogeneität der Individuen aufgefrischt wird, die Fortpflanzung zum Stocken gebracht werden würde. So kommt nicht etwa die graue Haarfarbe (cendrée) von der Vermischung eines Brunetten mit einer Blondinen her, 5 sondern bezeichnet einen besonderen Familienschlag, und die Natur hat Vorrath genug in sich, um nicht der Armuth ihrer vorräthigen Formen halber einen Menschen in die Welt zu schicken, der schon ehemals drin gewesen ist; wie denn auch die Naheit der Verwandtschaft notorisch auf Unfruchtbarkeit hinwirkt.

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Der Charakter der Gattung.

Von der Gattung gewiffer Wesen einen Charakter anzugeben, dazu wird erfordert: daß sie mit anderen, uns bekannten unter einen Begriff gefaßt, das aber, wodurch sie sich von einander unterscheiden, als Eigen15 thümlichkeit (proprietas) zum Unterscheidungsgrunde angegeben und gebraucht wird. — Wenn aber eine Art von Wesen, die wir kennen (A), mit einer andern Art Wesen (non A), die wir nicht fennen, verglichen wird: wie kann man da erwarten oder verlangen, einen Charakter der ersteren anzugeben, da uns der Mittelbegriff der Vergleichung (tertium compa20 rationis) abgeht? Der oberste Gattungsbegriff mag der eines irdischen vernünftigen Wesens sein, so werden wir keinen Charakter desselben nennen können, weil wir von vernünftigen, nicht- irdischen Wesen keine Kenntniß haben, um ihre Eigenthümlichkeit angeben und so jene irdische unter den vernünftigen überhaupt charakterisiren zu können. Es scheint 25 also, das Problem, den Charakter der Menschengattung anzugeben, sei schlechterdings unauflöslich: weil die Auflösung durch Vergleichung zweier Species vernünftiger Wesen durch Erfahrung angestellt sein müßte, welche die letztere uns nicht darbietet.

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Es bleibt uns also, um dem Menschen im System der lebenden Natur 30 seine Classe anzuweisen und so ihn zu charakterisiren, nichts übrig als: daß er einen Charakter hat, den er sich selbst schafft, indem er vermögend ist, sich nach seinen von ihm selbst genommenen Zwecken zu perfectioniren; wodurch er als mit Vernunftfähigkeit begabtes Thier (animal rationabile) aus sich selbst ein vernünftiges Thier (animal rationale) machen 35 kann; wo er dann: erstlich sich selbst und seine Art erhält, zweitens

Kant's Schriften. Werke. VII.

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sie übt, belehrt und für die häusliche Gesellschaft erzieht, drittens sie als ein systematisches (nach Vernunftprincipien geordnetes), für die Gesellschaft gehöriges Ganze regiert; wobei aber das Charakteristische der Menschengattung in Vergleichung mit der Idee möglicher vernünftiger Wesen auf Erden überhaupt dieses ist: daß die Natur den Keim der Zwies tracht in sie gelegt und gewollt hat, daß ihre eigene Vernunft aus dieser diejenige Eintracht, wenigstens die beständige Annäherung zu derselben herausbringe, welche lettere zwar in der Idee der Zweck, der That nach aber die erstere (die Zwietracht) in dem Plane der Natur das Mittel einer höchsten, uns unerforschlichen Weisheit ist: die Perfectionirung des Men- 10 schen durch fortschreitende Cultur, wenn gleich mit mancher Aufopferung der Lebensfreuden desselben, zu bewirken.

Unter den lebenden Erdbewohnern ist der Mensch durch seine technische (mit Bewußtsein verbunden-mechanische) zu Handhabung der Sachen, durch seine pragmatische (andere Menschen zu seinen Absichten 15 geschickt zu brauchen) und durch die moralische Anlage in seinem Wesen (nach dem Freiheitsprincip unter Gesetzen gegen sich und andere zu handeln) von allen übrigen Naturwesen kenntlich unterschieden, und eine jede dieser drei Stufen kann für sich allein schon den Menschen zum Unterschiede von anderen Erdbewohnern charakteristisch unterscheiden.

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I. Die technische Anlage. Die Fragen: ob der Mensch ursprünglich zum vierfüßigen Gange (wie Moscati, vielleicht blos zur Thesis für eine Dissertation, vorschlug), oder zum zweifüßigen bestimmt sei; - ob der Gibbon, der Orangutang, der Schimpanse u. a. bestimmt sei (worin Linneus und Camper einander widerstreiten); ob er ein Frucht- oder 25 (weil er einen häutigen Magen hat) fleischfressendes Thier sei; — ob, da er weder Klauen noch Fangzähne, folglich (ohne Vernunft) keine Waffen hat, er von Natur ein Raub- oder friedliches Thier sei die Beantwortung dieser Fragen hat keine Bedenklichkeit. Allenfalls könnte diese noch aufgeworfen werden: ob er von Natur ein geselliges oder einfied- 30 lerisches und nachbarschaftscheues Thier sei; wovon das letztere wohl das Wahrscheinlichste ist.

Ein erstes Menschenpaar, schon mit völliger Ausbildung mitten unter Nahrungsmitteln von der Natur hingestellt, wenn ihm nicht zugleich ein Naturinstinct, der uns doch in unserem jezigen Naturzustande nicht bei- 35 wohnt, zugleich beigegeben worden, läßt sich schwerlich mit der Vorsorge der Natur für die Erhaltung der Art vereinigen. Der erste Mensch würde

im ersten Teich, den er vor sich sähe, ertrinken; denn Schwimmen ist schon eine Kunst, die man lernen muß; oder er würde giftige Wurzeln und Früchte genießen und dadurch umzukommen in beständiger Gefahr sein. Hatte aber die Natur dem ersten Menschenpaar diesen Instinct einge5 pflanzt, wie war es möglich, daß er ihn nicht an seine Kinder vererbte; welches doch jezt nie geschieht?

Zwar lehren die Singvögel ihren Jungen gewisse Gesänge und pflanzen fie durch Tradition fort: so daß ein isolirter Vogel, der noch blind aus dem Neste genommen und aufgefüttert worden, nachdem er erwachsen, kei10 nen Gesang, sondern nur einen gewissen angebornen Organlaut hat. Wo ist aber nun der erste Gesang hergekommen*); denn gelernt ist dieser nicht, und wäre er instinctmäßig entsprungen, warum erbte er den Jungen nicht an?

Die Charakterisirung des Menschen als eines vernünftigen Thieres 15 liegt schon in der Gestalt und Organisation seiner Hand, seiner Finger und Fingerspißen, deren theils Bau, theils zartem Gefühl, dadurch die Natur ihn nicht für Eine Art der Handhabung der Sachen, sondern unbestimmt für alle, mithin für den Gebrauch der Vernunft geschickt gemacht und dadurch die technische oder Geschicklichkeitsanlage seiner Gattung als 20 eines vernünftigen Thieres bezeichnet hat.

II. Die pragmatische Anlage der Civilifirung durch Cultur, vornehmlich der Umgangseigenschaften, und der natürliche Hang seiner Art, im gesellschaftlichen Verhältnisse aus der Rohigkeit der bloßen Selbstge= walt herauszugehen und ein gesittetes (wenn gleich noch nicht sittliches), 25 zur Eintracht bestimmtes Wesen zu werden, ist nun eine höhere Stufe. Er ist einer Erziehung sowohl in Belehrung als Zucht (Disciplin) fähig

*) Man kann mit dem Ritter Linné für die Archäologie der Natur die Hypothese annehmen: daß aus dem allgemeinen Meer, welches die ganze Erde bedeckte, zuerst eine Insel unter dem Äquator als ein Berg hervorgekommen, auf welchem 30 alle klimatische Stufen der Wärme von der des heißen am niedrigen Ufer desselben bis zur arktischen Kälte auf seinem Gipfel sammt den ihnen angemessenen Pflanzen und Thieren nach und nach entstanden; daß, was die Vögel aller Art betrifft, die Singvögel den angebornen Organlaut so vielerlei verschiedener Stimmen nachahm. ten und jede, so viel ihre Kehle es verstattete, mit der anderen verbanden, wodurch 35 eine jede Species sich ihren bestimmten Gesang machte, den nachher einer dem andern durch Belehrung (gleich einer Tradition) beibrachte; wie man auch sieht, daß Finken und Nachtigallen in verschiedenen Ländern auch einige Verschiedenheit in ihren Schlägen anbringen.

und bedürftig. Hier ist nun (mit oder gegen Rousseau) die Frage: ob der Charakter seiner Gattung ihrer Naturanlage nach sich besser bei der Rohigkeit seiner Natur, als bei den Künsten der Cultur, welche kein Ende absehen lassen, befinden werde. - Zuvörderst muß man anmerken: daß bei allen übrigen sich selbst überlassenen Thieren jedes Individuum 5 seine ganze Bestimmung erreicht, bei den Menschen aber allenfalls nur die Gattung: so daß sich das menschliche Geschlecht nur durch Fortschreiten in einer Reihe unabsehlich vieler Generationen zu seiner Bestimmung empor arbeiten kann; wo das Ziel ihm doch immer noch im Prospecte bleibt, gleichwohl aber die Tendenz zu diesem Endzwecke zwar 10 wohl öfters gehemmt, aber nie ganz rückläufig werden kann.

III. Die moralische Anlage. Die Frage ist hier: ob der Mensch von Natur gut, oder von Natur böse, oder von Natur gleich für eines oder das andere empfänglich sei, nachdem er in diese oder jene ihn bildende Hände fällt (cereus in vitium flecti etc.). Im lettern Falle würde die 15 Gattung selbst keinen Charakter haben. -Aber dieser Fall widerspricht sich selbst; denn ein mit praktischem Vernunftvermögen und Bewußtsein der Freiheit seiner Willkür ausgestattetes Wesen (eine Person) sieht sich in diesem Bewußtsein selbst mitten in den dunkelsten Vorstellungen unter einem Pflichtgesetze und im Gefühl (welches dann das moralische heißt), 20 daß ihm, oder durch ihn Anderen recht oder unrecht geschehe. Dieses ist nun schon selbst der intelligibele Charakter der Menschheit überhaupt, und in so fern ist der Mensch seiner angebornen Anlage nach (von Natur) gut. Da aber doch auch die Erfahrung zeigt: daß in ihm ein Hang zur thätigen Begehrung des Unerlaubten, ob er gleich weiß, daß es unerlaubt 25 sei, d. i. zum Bösen, sei, der sich so unausbleiblich und so früh regt, als der Mensch nur von seiner Freiheit Gebrauch zu machen anhebt, und darum als angeboren betrachtet werden kann: so ist der Mensch seinem sensibelen Charakter nach auch als (von Natur) böse zu beurtheilen, ohne daß sich dieses widerspricht, wenn vom Charakter der Gattung 30 die Rede ist; weil man annehmen kann, daß dieser ihre Naturbestimmung im continuirlichen Fortschreiten zum Besseren bestehe.

Die Summe der pragmatischen Anthropologie in Ansehung der Bestimmung des Menschen und die Charakteristik seiner Ausbildung ist folgende. Der Mensch ist durch seine Vernunft bestimmt, in einer Gesell- 35 schaft mit Menschen zu sein und in ihr sich durch Kunst und Wissenschaften zu cultiviren, zu civilisiren und zu moralisiren, wie groß auch

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sein thierischer Hang sein mag, sich den Anreizen der Gemächlichkeit und des Wohllebens, die er Glückseligkeit nennt, passiv zu überlassen, sondern vielmehr thätig, im Kampf mit den Hindernissen, die ihm von der Rohigkeit seiner Natur anhängen, sich der Menschheit würdig zu machen. Der Mensch muß also zum Guten erzogen werden; der aber, welcher ihn erziehen soll, ist wieder ein Mensch, der noch in der Rohigkeit der Natur liegt und nun doch dasjenige bewirken soll, was er selbst bedarf. Daher die beständige Abweichung von seiner Bestimmung mit immer wiederholten Einlenkungen zu derselben. Wir wollen die Schwierig10 keiten der Auflösung dieses Problems und die Hindernisse derselben anführen.

A.

Die erste physische Bestimmung desselben besteht in dem Antriebe des Menschen zur Erhaltung seiner Gattung als Thiergattung. - Aber 15 hier wollen nun schon die Naturepochen seiner Entwickelung mit den bürgerlichen nicht zusammentreffen. Nach der ersteren ist er im Naturzustande wenigstens in seinem 15ten Lebensjahr durch den Geschlechtsinstinct angetrieben und auch vermögend, seine Art zu erzeugen und zu erhalten. Nach der zweiten kann er es (im Durchschnitt) vor dem 20 20sten schwerlich wagen. Denn wenn der Jüngling gleich früh genug das Vermögen hat, seine und eines Weibes Neigung als Weltbürger zu befriedigen, so hat er doch lange noch nicht das Vermögen, als Staatsbürger sein Weib und Kind zu erhalten. Er muß ein Gewerbe erlernen, sich in Kundschaft bringen, um ein Hauswesen mit einem Weibe anzufangen; 25 worüber aber in der geschliffenern Volksklasse auch wohl das 25 ste Jahr verfließen kann, ehe er zu seiner Bestimmung reif wird. — Womit füllt er nun diesen Zwischenraum einer abgenöthigten und unnatürlichen Enthaltsamkeit aus? Kaum anders als mit Lastern.

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B.

Der Trieb zur Wissenschaft, als einer die Menschheit veredelnden Cultur, hat im Ganzen der Gattung keine Proportion zur Lebensdauer. Der Gelehrte, wenn er bis dahin in der Cultur vorgedrungen ist, um das Feld derselben selbst zu erweitern, wird durch den Tod abgerufen, und seine Stelle nimmt der ABE-Schüler ein, der kurz vor seinem Lebensende, nach35 dem er eben so einen Schritt weiter gethan hat, wiederum seinen Platz

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