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grund der freien Willkür durch reine praktische Vernunft. Aber die Erregbarkeit derselben durch bloße Selbstliebe, d. i. nur zu seinem Vortheil, nicht zum Behuf einer Gesetzgebung für jedermann, ist sinnlicher Antrieb des Hasses, nicht der Ungerechtigkeit, sondern des gegen uns Ungerechten: 5 welche Neigung (zu verfolgen und zu zerstören), da ihr eine Idee, obzwar freilich selbstsüchtig angewandt, zum Grund liegt, die Rechtsbegierde gegen den Beleidiger in Leidenschaft der Wiedervergeltung verwandelt, die oft bis zum Wahnsinn heftig ist, sich selbst dem Verderben auszusetzen, wenn nur der Feind demselben nicht entrinnt, und (in der Blutrache) diesen 10 Haß gar selbst zwischen Völkerschaften erblich zu machen; weil, wie es heißt, das Blut des Beleidigten, aber noch nicht Gerächten schreie, bis das unschuldig vergoffene Blut wieder durch Blut — sollte es auch das eines seiner unschuldigen Nachkommen sein abgewaschen wird.

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C.

15 Von der Neigung zum Vermögen, Einfluß überhaupt auf andere Menschen zu haben.

§ 84. Diese Neigung nähert sich am meisten der technisch-praktischen Vernunft, d. i. der Klugheitsmarime. Denn anderer Menschen Neigungen in seine Gewalt zu bekommen, um sie nach seinen Absichten lenken 20 und bestimmen zu können, ist beinahe eben so viel als im Besiß anderer, als bloßer Werkzeuge seines Willens, zu sein. Kein Wunder, daß das Streben nach einem solchen Vermögen, auf Andere Einfluß zu haben, Leidenschaft wird.

Dieses Vermögen enthält gleichsam eine dreifache Macht in sich: 25 Ehre, Gewalt und Geld; durch die, wenn man im Besitz derselben ist, man jedem Menschen, wenn nicht durch einen dieser Einflüsse, doch durch den andern beikommen und ihn zu seinen Absichten brauchen kann. — Die Neigungen hiezu, wenn sie Leidenschaften werden, sind Ehrsucht, Herrschsucht und Habsucht. Freilich daß hier der Mensch der Geck 30 (Betrogene) seiner eigenen Neigungen wird und im Gebrauch solcher Mittel seinen Endzweck verfehlt; aber wir reden hier auch nicht von Weisheit, welche gar keine Leidenschaften verstattet, sondern nur von der Klugheit, mit welcher man die Narren handhaben kann.

Die Leidenschaften überhaupt aber, so heftig sie auch immer als sinn

liche Triebfedern sein mögen, sind doch in Ansehung dessen, was die Vernunft dem Menschen vorschreibt, lauter Schwächen. Daher das Vermögen des gescheuten Mannes, jene zu seinen Absichten zu gebrauchen, verhältnißmäßig desto kleiner sein darf, je größer die Leidenschaft ist, die den andern Menschen beherrscht.

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Ehrsucht ist die Schwäche der Menschen, wegen der man auf fie durch ihre Meinung, Herrschsucht durch ihre Furcht und Habsucht durch ihr eigenes Interesse Einfluß haben kann. Allerwärts ein Sklavensinn, durch den, wenn sich ein Anderer desselben bemächtigt, er das Vermögen hat, ihn durch seine eigenen Neigungen zu seinen Absichten zu ge= 10 brauchen. Das Bewußtsein aber dieses Vermögens an sich und des Besizes der Mittel seine Neigungen zu befriedigen erregt die Leidenschaft mehr noch, als der Gebrauch derselben.

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§ 85. Sie ist nicht Ehrliebe, eine Hochschätzung, die der Mensch von Anderen wegen seines inneren (moralischen) Werths erwarten darf, sondern Bestreben nach Ehrenruf, wo es am Schein genug ist. Man darf dem Hochmuth (einem Anfinnen an Andere, sich selbst in Vergleichung mit uns selbst gering zu schätzen, eine Thorheit, die ihrem eigenen Zweck 20 zuwider handelt) — diesem Hochmuth, sage ich, darf man nur schmeicheln, so hat man durch diese Leidenschaft des Thoren über ihn Gewalt. Schmeichler*), Jaherren, die einem bedeutenden Mann gern das große Wort einräumen, nähren diese ihn schwach machende Leidenschaft und sind die Verderber der Großen und Mächtigen, die sich diesem Zauber hin- 25 geben.

Hochmuth ist eine verfehlte, ihrem eigenen Zweck entgegen handelnde Ehrbegierde und kann nicht als ein absichtliches Mittel, andere Menschen

*) Das Wort Schmeichler hat wohl uranfänglich Schmiegler heißen sollen (einen, der sich schmiegt und biegt), um einen einbilderischen Mächtigen selbst durch 30 seinen Hochmuth nach Belieben zu leiten; so wie das Wort Heuchler (eigentlich sollte es Häuchler geschrieben werden) einen seine fromme Demuth vor einem vielvermögenden Geistlichen durch in seine Rede gemischte Stoßseufzer vorspiegelnden Betrüger hat bedeuten sollen.

(die er von sich abstößt) zu seinen Zwecken zu gebrauchen, angesehen werden; vielmehr ist der Hochmüthige das Instrument der Schelme, Narr genannt. Einsmals fragte mich ein sehr vernünftiger, rechtschaffener Kaufmann: „warum der Hochmüthige jederzeit auch niederträchtig sei" 5 (jener hatte nämlich die Erfahrung gemacht: daß der mit seinem Reichthum als überlegener Handelsmacht Großthuende beim nachher eingetretenen Verfall seines Vermögens sich auch kein Bedenken machte, zu kriechen). Meine Meinung war diese: daß, da der Hochmuth das Ansinnen an einen Anderen ist, sich selbst in Vergleichung mit jenem zu verachten, 10 ein solcher Gedanke aber niemand in den Sinn kommen kann als nur dem, welcher sich selbst zu Niederträchtigkeit bereit fühlt, der Hochmuth an sich schon von der Niederträchtigkeit solcher Menschen ein nie trügendes, vorbedeutendes Kennzeichen abgebe.

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Diese Leidenschaft ist an sich ungerecht, und ihre Äußerung bringt alles wider sich auf. Sie fängt aber von der Furcht an von andern beherrscht zu werden und ist darauf bedacht, sich bei Zeiten in den Vortheil der Gewalt über sie zu sehen; welches doch ein mißliches und ungerechtes 20 Mittel dazu ist, andere Menschen zu seinen Absichten zu gebrauchen: weil es theils den Widerstand aufruft und unklug, theils der Freiheit unter Gesetzen, worauf jedermann Anspruch machen kann, zuwider und ungerecht ist. Was die mittelbare Beherrschungskunst betrifft, z. B. die des weiblichen Geschlechts durch Liebe, die es dem männlichen gegen sich 25 einflößt, dieses zu seinen Absichten zu brauchen, so ist sie unter jenem Titel nicht mit begriffen: weil sie keine Gewalt bei sich führt, sondern den Unterthänigen durch seine eigene Neigung zu beherrschen und zu fesseln weiß. - Nicht als ob der weibliche Theil unserer Gattung von der Neigung über den männlichen zu herrschen frei wäre (wovon gerade das Gegentheil 30 wahr ist), sondern weil es sich nicht deffelben Mittels zu dieser Absicht als das männliche bedient, nämlich nicht des Vorzugs der Stärke (als welche hier unter dem Worte herrschen gemeint ist), sondern der Reize, welche eine Neigung des andern Theils, beherrscht zu werden, in sich enthält.

Kant's Schriften. Werke. VII.

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C.

Habsucht.

Geld ist die Losung, und wen Plutus begünstigt, vor dem öffnen sich alle Pforten, die vor dem minder Reichen verschlossen sind. Die Erfindung dieses Mittels, welches sonst keine Brauchbarkeit hat (wenigstens 5 nicht haben darf) als blos zum Verkehr des Fleißes der Menschen, hiemit aber auch alles Physisch-Guten unter ihnen zu dienen, vornehmlich nachdem es durch Metalle repräsentirt wird, hat eine Habsucht hervorgebracht, die zuletzt auch ohne Genuß in dem bloßen Besite, selbst mit Verzichtthuung (des Geizigen) auf allen Gebrauch eine Macht enthält, von der man 10 glaubt, daß sie den Mangel jeder anderen zu erseßen hinreichend sei. Diese ganz geistlose, wenn gleich nicht immer moralisch verwerfliche, doch blos mechanisch geleitete Leidenschaft, welche vornehmlich dem Alter (zum Ersah seines natürlichen Unvermögens) anhängt und die jenem allgemeinen Mittel seines großen Einflusses halber auch schlechthin den Namen eines 15 Vermögens verschafft hat, ist eine solche, die, wenn sie eingetreten ist, keine Abänderung verstattet und, wenn die erste der drei gehaßt, die zweite gefürchtet, sie als die dritte verachtet macht*).

Von der Neigung des Wahnes als Leidenschaft.

§ 86. Unter dem Wahne, als einer Triebfeder der Begierden, ver- 20 stehe ich die innere praktische Täuschung, das Subjective in der Beweg= ursache für objectiv zu halten. - Die Natur will von Zeit zu Zeit stärkere Erregungen der Lebenskraft, um die Thätigkeit des Menschen aufzufrischen, damit er nicht im bloßen Genießen das Gefühl des Lebens gar einbüße. Zu diesem Zwecke hat sie sehr weise und wohlthätig dem von 25 Natur faulen Menschen Gegenstände seiner Einbildung nach als wirkliche Zwecke (Erwerbungsarten von Ehre, Gewalt und Geld) vorgespiegelt, die ihm, der ungern ein Geschäfte unternimmt, doch genug zu schaffen

* Hier ist die Verachtung im moralischen Sinne zu verstehen; denn im bürgerlichen, wenn es sich zutrifft, daß, wie Pope sagt, „der Teufel in einem goldenen Regen 30 von funfzig auf hundert dem Wucherer in den Schooß fällt und sich seiner Seele bemächtigt", bewundert vielmehr der große Haufe den Mann, der so große Han. delsweisheit beweiset.

machen und mit Nichtsthun viel zu thun geben; wobei das Interesse, was er daran nimmt, ein Interesse des bloßen Wahnes ist und die Natur also wirklich mit dem Menschen spielt und ihn (das Subject) zu seinem Zwecke spornt: indeffen daß dieser in der Überredung steht (objectiv), sich 5 selbst einen eigenen Zweck gesezt zu haben. — Diese Neigungen des Wahnes find gerade darum, weil die Phantasie dabei Selbstschöpferin ist, dazu geeignet, um im höchsten Grade leidenschaftlich zu werden, vornehmlich wenn sie auf einen Wettstreit der Menschen angelegt sind.

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Die Spiele des Knaben im Ballschlagen, Ringen, Wettrennen, Sol10 datenspielen; weiterhin des Mannes im Schach- und Kartenspiel (wo in der einen Beschäftigung der bloße Vorzug des Verstandes, in der zweiten zugleich der baare Gewinn beabsichtigt wird); endlich des Bürgers, der in öffentlichen Gesellschaften mit Faro oder Würfeln sein Glück versucht, werden insgesammt unwissentlich von der weiseren Natur zu Wagstücken, 15 ihre Kräfte im Streit mit anderen zu versuchen, angespornt: eigentlich damit die Lebenskraft überhaupt vor dem Ermatten bewahrt und rege erhalten werde. Zwei solche Streiter glauben, sie spielen unter sich; in der That aber spielt die Natur mit beiden, wovon sie die Vernunft klar überzeugen kann, wenn sie bedenken, wie schlecht die von ihnen gewählten 20 Mittel zu ihrem Zwecke passen. - Aber das Wohlbefinden während dieser Erregung, weil es sich mit (obgleich übelgedeuteten) Ideen des Wahnes verschwistert, ist eben darum die Ursache eines Hanges zur heftigsten und lange daurenden Leidenschaft*).

Neigungen des Wahnes machen den schwachen Menschen abergläu25 bisch und den Abergläubigen schwach, d. i. geneigt, von Umständen, die keine Naturursachen (etwas zu fürchten oder zu hoffen) sein können, dennoch interessante Wirkungen zu erwarten. Jäger, Fischer, auch Spieler (vornehmlich in Lotterien) sind abergläubisch, und der Wahn, der zu der Täuschung: das Subjective für objectiv, die Stimmung des inneren 30 Sinnes für Erkenntniß der Sache selbst zu nehmen, verleitet, macht zugleich den Hang zum Aberglauben begreiflich.

*) Ein Mann in Hamburg, der ein ansehnliches Vermögen daselbst verspielt hatte, brachte nun seine Zeit mit Zusehen der Spielenden zu. Ihn fragte ein anderer, wie ihm zu Muthe wäre, wenn er daran dächte, ein solches Vermögen einmal gehabt 35 zu haben. Der erstere antwortete: „Wenn ich es noch einmal befäße, so wüßte ich doch nicht es auf angenehmere Art anzuwenden.“

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