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zuzumuthen, daß sie sich selbst in Vergleichung mit mir gering schäßen sollen, und so werden sie mir immer Querstreiche spielen, die meine Abficht vereiteln. Das hat aber nur Auslachen zur Folge. Aber in dieser Zumuthung steckt auch Beleidigung, und diese bewirkt verdienten Haß. 5 Das Wort Närrin, gegen ein Frauenzimmer gebraucht, hat nicht die harte Bedeutung: weil ein Mann durch die eitle Anmaßung des letteren nicht glaubt beleidigt werden zu können. Und so scheint Narrheit blos an den Begriff des Hochmuths eines Mannes gebunden zu sein. — Wenn man den, der sich selbst (zeitlich oder ewig) schadet, einen Narren nennt, folg= 10 lich in die Verachtung desselben Haß mischt, ob er zwar uns nicht beleidigt hat, so muß man sie sich als Beleidigung der Menschheit überhaupt, folg= lich als gegen einen Anderen ausgeübt denken. Wer seinem eigenen rechtmäßigen Vortheil gerade entgegen handelt, wird auch bisweilen Narr genannt, ob er zwar nur sich allein schadet. Arouet, der Vater des Vol15 taire, sagte zu jemanden, der ihm zu seinen vortheilhaft bekannten Söhnen gratulirte: „Ich habe zwei Narren zu Söhnen, der eine ist ein Narr in Prose, der andere in Versen“ (der eine hatte sich in den Jansenism ge= worfen und wurde verfolgt, der andere mußte seine Spottgedichte mit der Bastille büßen). Überhaupt setzt der Thor einen größern Werth in 20 Dinge, der Narr in sich selbst, als er vernünftigerweise thun sollte.

Die Betitelung eines Menschen als Laffen oder Gecken legt auch den Begriff ihrer Unklugheit als Narrheit zum Grunde. Der erste ist ein junger, der andere ein alter Narr; beide von Schelmen oder Schälken verleitet, wo der erstere doch noch Mitleiden, der andere aber bitteres 25 Hohnlachen auf sich zieht. Ein wißiger deutscher Philosoph und Dichter machte die Titel fat und sot (unter dem Gemeinnamen fou) durch ein Beispiel begreiflich: „Der erstere, sagt er, ist ein junger Deutsche, der nach Paris zieht; der zweite ist eben derselbe, nachdem er eben von Paris zurückgekommen ist."

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Die gänzliche Gemüthsschwäche, die entweder selbst nicht zum thierischen Gebrauch der Lebenskraft (wie bei den Cretinen des Walliser

scheut. Ein gescheuter Mensch ist ein richtig und praktisch, aber kunstlos urthei lender Mensch. Erfahrung kann zwar einen gescheuten Menschen klug, d. i. zum künstlichen Verstandesgebrauch geschickt, die Natur aber allein ihn gescheut machen.

landes), oder auch nur eben zur blos mechanischen Nachahmung äußerer, durch Thiere möglicher Handlungen (Sägen, Graben 2c.) zureicht, heißt Blödsinnigkeit und kann nicht wohl Seelenkrankheit, sondern eher Seelenlosigkeit betitelt werden.

C.

Von den Gemüthskrankheiten.

§ 50. Die oberste Eintheilung ist, wie bereits oben bemerkt worden, die in Grillenkrankheit (Hypochondrie) und das gestörte Gemüth (Manie). Die Benennung der ersteren ist von der Analogie des Aufmerkens auf den tschirpenden Laut einer Heime (Hausgrille) in der Stille 10 der Nacht hergenommen, welcher die Ruhe des Gemüths stört, die zum Schlafen erfordert wird. Die Krankheit des Hypochondristen besteht nun darin: daß gewisse innere körperliche Empfindungen nicht sowohl ein wirklich vorhandenes Übel im Körper entdecken, als vielmehr es nur besorgen lassen und die menschliche Natur von der besonderen Beschaffenheit ist (die 15 das Thier nicht hat), durch Aufmerksamkeit auf gewisse locale Eindrücke das Gefühl derselben zu verstärken oder auch anhaltend zu machen; da hingegen eine entweder vorseßliche oder durch andere, zerstreuende Beschäftigungen bewirkte Abstraction jene nachlaffen und, wenn die lettere habituell wird, gar wegbleiben macht.*) Auf solche Weise wird die Hypo- 20 chondrie als Grillenkrankheit die Ursache von Einbildungen körperlicher Übel, von denen sich der Patient bewußt ist, daß es Einbildungen find, von Zeit zu Zeit aber sich nicht entbrechen kann, fie für etwas Wirkliches zu halten, oder umgekehrt aus einem wirklichen körperlichen Übel (wie das der Beklommenheit aus eingenommenen blähenden Speisen nach der 25 Mahlzeit) sich Einbildungen von allerlei bedenklichen äußeren Begegnissen und Sorgen über sein Geschäfte zu machen, die sobald verschwinden, als nach vollendeter Verdauung die Blähung aufgehört hat. -- Der Hypochondrist ist ein Grillenfänger (Phantast) von der kümmerlichsten Art: eigensinnig, sich seine Einbildungen nicht ausreden zu lassen, und 30 dem Arzt immer zu Halfe gehend, der mit ihm seine liebe Noth hat, ihn

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*) Ich habe in einer andern Schrift angemerkt: daß Abwendung der Aufmerksamkeit von gewissen schmerzhaften Empfindungen und Anstrengung derselben auf irgend einen andern, willkürlich in Gedanken gefaßten Gegenstand vermögend ist, jene so weit abzuwehren: daß sie nicht in Krankheit ausschlagen können.

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auch nicht anders als ein Kind (mit Pillen aus Brotfrumen statt Arzneimitteln) beruhigen kann; und wenn dieser Patient, der vor immerwährendem Kränkeln nie frank werden kann, medicinische Bücher zu Rathe zieht, so wird er vollends unerträglich: weil er alle die Übel in seinem 5 Körper zu fühlen glaubt, die er im Buche liest. Zum Kennzeichen dieser Einbildungskrankheit dient die außerordentliche Lustigkeit, der lebhafte Wiß und das fröhliche Lachen, denen sich dieser Kranke bisweilen überlassen fühlt und so das immer wandelbare Spiel seiner Launen ist. Die auf kindische Art ängstliche Furcht vor dem Gedanken des Todes 10 nährt diese Krankheit. Wer aber über diesen Gedanken nicht mit männ lichem Muthe wegsieht, wird des Lebens nie recht froh werden.

Noch diesseits der Gränze des gestörten Gemüths ist der plößliche Wechsel der Launen (raptus): ein unerwarteter Absprung von einem Thema zu einem ganz verschiedenen, den sich niemand gewärtigt. Bis15 weilen geht er vor jener Störung, die er ankündigt, vorher: oft aber ist der Kopf schon so verkehrt gestellt, daß diese Überfälle der Regellosigkeit bei ihm zur Regel werden. Der Selbstmord ist oft bloß die Wirkung von einem Raptus. Denn der, welcher sich in der Heftigkeit des Affects die Gurgel abschneidet, läßt sich bald darauf geduldig sie wieder zu20 nähen.

Die Tiefsinnigkeit (melancholia) kann auch ein bloßer Wahn von Elend sein, den sich der trübsinnige (zum Grämen geneigte) Selbstquäler schafft. Sie ist selber zwar noch nicht Gemüthsstörung, kann aber wohl dahin führen. Übrigens ist es ein verfehlter, doch oft vor25 kommender Ausdruck: von einem tiefsinnigen Mathematiker (z. B. Prof. Hausen) zu reden, indessen daß man bloß den tiefdenkenden meint.

§ 51. Das Frrereden (delirium) des Wachenden im fieberhaften Zustande ist eine körperliche Krankheit und bedarf medicinischer Vorkehrungen. Nur der Irreredende, bei welchem der Arzt keine solche 30 frankhaften Zufälle wahrnimmt, heißt verrückt; wofür das Wort gestört nur ein mildernder Ausdruck ist. Wenn also jemand vorseßlich ein Unglück angerichtet hat und nun, ob und welche Schuld deswegen auf ihm hafte, die Frage ist, mithin zuvor ausgemacht werden muß, ob er damals verrückt gewesen sei oder nicht, so kann das Gericht ihn nicht an die medi35 cinische, sondern müßte (der Incompetenz des Gerichtshofes halber) ihn an die philosophische Facultät verweisen. Denn die Frage: ob der Angeklagte bei seiner That im Besitz seines natürlichen Verstandes- und

Beurtheilungsvermögens gewesen sei, ist gänzlich psychologisch, und obgleich körperliche Verschrobenheit der Seelenorganen vielleicht wohl bisweilen die Ursache einer unnatürlichen Übertretung des (jedem Menschen beiwohnenden) Pflichtgesetzes sein möchte, so sind die Ärzte und Physiologen überhaupt doch nicht so weit, um das Maschinenwesen im Menschen 5 so tief einzusehen, daß sie die Anwandlung zu einer solchen Gräuelthat daraus erklären, oder (ohne Anatomie des Körpers) sie vorher sehen könnten; und eine gerichtliche Arzneikunde (medicina forensis) ist

wenn es auf die Frage ankommt: ob der Gemüthszustand des Thäters Verrückung, oder mit gesundem Verstande genommene Entschließung ge= 10 wesen sei — Einmischung in fremdes Geschäfte, wovon der Richter nichts versteht, wenigstens es, als zu seinem Forum nicht gehörend, an eine andere Facultät verweisen muß*).

§ 52. Es ist schwer eine systematische Eintheilung in das zu bringen, was wesentliche und unheilbare Unordnung ist. Es hat auch wenig Nußen 15 sich damit zu befassen: weil, da die Kräfte des Subjects dahin nicht mitwirken (wie es wohl bei körperlichen Krankheiten der Fall ist), und doch nur durch den eigenen Verstandesgebrauch dieser Zweck erreicht werden kann, alle Heilmethode in dieser Absicht fruchtlos ausfallen muß. Indessen fordert doch die Anthropologie, obgleich sie hiebei nur indirect pragmatisch 20 sein kann, nämlich nur Unterlassungen zu gebieten, wenigstens einen allge= meinen Abriß dieser tiefsten, aber von der Natur herrührenden Erniedrigung der Menschheit zu versuchen. Man kann die Verrückung überhaupt in die tumultuarische, methodische und systematische eintheilen.

1) Unsinnigkeit (amentia) ist das Unvermögen, seine Vorstellun- 25 gen auch nur in den zur Möglichkeit der Erfahrung nöthigen Zusammenhang zu bringen. In den Tollhäusern ist das weibliche Geschlecht seiner

*) So erklärte ein solcher Richter in dem Falle, da eine Person, weil sie zum Zuchthause verurtheilt war, aus Verzweiflung ein Kind umbrachte, diese für verrückt und so für frei von der Todesstrafe. Denn, sagte er: wer aus falschen 30 Prämissen wahre Schlüffe folgert, ist verrückt. Nun nahm jene Person es als Grundsay an: daß die Zuchthausstrafe eine unauslöschliche Entehrung sei, die ärger ist als der Tod (welches doch falsch ist), und kam durch den Schluß daraus auf den Vorsah, sich den Tod zu verdienen. Folglich war sie verrückt und, als eine solche, der Todesstrafe zu überheben. Auf den Fuß dieses Arguments möchte 35 es wohl leicht sein, alle Verbrecher für Verrückte zu erklären, die man bedauren und curiren, aber nicht bestrafen müßte.

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Schwazhaftigkeit halber dieser Krankheit am meisten unterworfen: nämlich unter das, was sie erzählen, so viel Einschiebsel ihrer lebhaften Einbildungskraft zu machen, daß niemand begreift, was sie eigentlich sagen wollten. Diese erste Verrückung ist tumultuarisch.

2) Wahnsinn (dementia) ist diejenige Störung des Gemüths, da alles, was der Verrückte erzählt, zwar den formalen Gesetzen des Denkens zu der Möglichkeit einer Erfahrung gemäß ist, aber durch falsch dichtende Einbildungskraft selbstgemachte Vorstellungen für Wahrnehmungen gehalten werden. Von der Art find diejenigen, welche allerwärts Feinde um 10 sich zu haben glauben; die alle Mienen, Worte oder sonstige gleichgültige Handlungen Andrer als auf sich abgezielt und als Schlingen betrachten, die ihnen gelegt werden. Diese sind in ihrem unglücklichen Wahn oft so scharfsinnig in Auslegung dessen, was Andere unbefangen thun, um es als auf sich angelegt auszudeuten, daß, wenn die Data nur wahr wären, 15 man ihrem Verstande alle Ehre müßte widerfahren lassen. — Ich habe nie gesehen, daß jemand von dieser Krankheit je geheilt worden ist (denn es ist eine besondere Anlage mit Vernunft zu rasen). Sie sind aber doch nicht zu den Hospitalnarren zu zählen: weil sie, nur für sich selbst besorgt, ihre vermeinte Schlauigkeit nur auf ihre eigene Erhaltung richten, ohne 20 andere in Gefahr zu sehen, mithin nicht sicherheitshalber eingeschlossen zu werden bedürfen. Diese zweite Verrückung ist methodisch.

3) Wahnwit (insania) ist eine gestörte Urtheilskraft: wodurch das Gemüth durch Analogien hingehalten wird, die mit Begriffen einander ähnlicher Dinge verwechselt werden, und so die Einbildungskraft ein 25 dem Verstande ähnliches Spiel der Verknüpfung disparater Dinge als das Allgemeine vorgaukelt, worunter die letzteren Vorstellungen enthalten waren. Die Seelenkranken dieser Art sind mehrentheils sehr vergnügt, dichten abgeschmackt und gefallen sich in dem Reichthum einer so ausgebreiteten Verwandtschaft sich ihrer Meinung nach zusammenreimender 30 Begriffe. Der Wahnsinnige dieser Art ist nicht zu heilen: weil er wie die Poesie überhaupt schöpferisch und durch Mannigfaltigkeit unterhaltend ist. Diese dritte Verrückung ist zwar methodisch, aber nur fragmentarisch.

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4) Aberwih (vesania) ist die Krankheit einer gestörten Vernunft. Der Seelenkranke überfliegt die ganze Erfahrungsleiter und hascht nach Principien, die des Probirsteins der Erfahrung ganz überhoben sein können, und wähnt das Unbegreifliche zu begreifen. — Die Erfindung

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