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eines gesunden Menschen, sich der Vorstellungen durch äußere Sinne be= wußt werden zu können. Hiezu die Sacherklärung zu finden, bleibt den Physiologen überlassen, welche diese Abspannung, die doch zugleich eine Sammlung der Kräfte zu erneuerter äußeren Sinnenempfindung ist (wodurch sich der Mensch gleich als neugeboren in der Welt sieht, und 5 womit wohl ein Dritttheil unserer Lebenszeit unbewußt und unbedauret dahingeht), wenn sie können, erklären mögen.

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Der widernatürliche Zustand einer Betäubung der Sinnwerkzeuge, welche einen geringeren Grad der Aufmerksamkeit auf sich selbst als im natürlichen zur Folge hat, ist ein Analogon der Trunkenheit, daher der 10 aus einem festen Schlaf schnell Aufgeweckte schlaftrunken genannt wird. Er hat noch nicht seine völlige Besinnung. — Aber auch im Wachen kann eine plößlich jemanden anwandelnde Verlegenheit, sich zu besinnen, was man in einem unvorhergesehenen Falle zu thun habe, als Hemmung des ordentlichen und gewöhnlichen Gebrauchs seines Reflexionsvermögens, einen 15 Stillstand im Spiel der Sinnenvorstellungen hervorbringen, bei dem man sagt: er ist aus der Fassung gebracht, außer sich, (vor Freude oder Schreck) perplex, verdußt, verblüfft, hat den Tramontano*) verloren u. d. g., und dieser Zustand ist wie ein augenblicklich anwandelnder Schlaf, der eines Sammelns seiner Sinnenempfindungen bedarf, anzusehen. Im 20 heftigen, plöglich erregten Affect (des Schrecks, des Zorns, auch wohl der Freude) ist der Mensch, wie man sagt, außer sich, (in einer Ekstasis, wenn man sich in einer Anschauung, die nicht die der Sinne ist, begriffen zu sein glaubt) seiner selbst nicht mächtig und für den Gebrauch äußerer Sinne einige Augenblicke gleichsam gelähmt.

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§ 27. Die Ohnmacht, welche auf einen Schwindel (einen schnell im Kreise wiederkehrenden und die Fassungskraft übersteigenden Wechsel vieler ungleichartigen Empfindungen) zu folgen pflegt, ist ein Vorspiel von dem Tod. Die gänzliche Hemmung dieser insgesammt ist Asphyrie oder der Scheintod, welcher, so viel man äußerlich wahrnehmen kann, 30 nur durch den Erfolg von dem wahren zu unterscheiden ist (wie bei Ertrunkenen, Gehenkten, im Dampf Erstickten).

Das Sterben kann kein Mensch an sich selbst erfahren (denn eine

*) Tramontano oder Tramontana heißt der Nordstern; und perdere la tramontana, den Nordstern (als Leitstern der Seefahrer) verlieren, heißt aus der 35 Fassung kommen, sich nicht zu finden wissen.

Erfahrung zu machen, dazu gehört Leben), sondern nur an andern wahrnehmen. Ob es schmerzhaft sei, ist aus dem Röcheln oder den Zuckungen des Sterbenden nicht zu beurtheilen; vielmehr scheint es eine blos mechanische Reaction der Lebenskraft und vielleicht eine sanfte Empfindung des 5 allmähligen Freiwerdens von allem Schmerz zu sein. -- Die allen Menschen, selbst den Unglücklichsten oder auch dem Weisesten, natürliche Furcht vor dem Tod ist also nicht ein Grauen vor dem Sterben, sondern, wie Montaigne richtig sagt, vor dem Gedanken gestorben (d. i. todt) zu sein; den also der Candidat des Todes nach dem Sterben noch zu haben 10 vermeint, indem er das Cadaver, was nicht mehr Er selbst ist, doch als sich selbst im düstern Grabe, oder irgend sonst wo denkt. — Die Täuschung ist hier nicht zu heben; denn sie liegt in der Natur des Denkens, als eines Sprechens zu und von sich selbst. Der Gedanke ich bin nicht kann gar nicht eristiren; denn bin ich nicht, so kann ich mir auch nicht bewußt 15 werden, daß ich nicht bin. Ich kann wohl sagen: ich bin nicht gesund, u. d. g. Prädicata von mir selbst verneinend denken (wie es bei allen verbis geschieht); aber in der ersten Person sprechend das Subject selbst verneinen, wobei alsdann dieses sich selbst vernichtet, ist ein Widerspruch.

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Von der Einbildungskraft.

§ 28. Die Einbildungskraft (facultas imaginandi), als ein Vermögen der Anschauungen auch ohne Gegenwart des Gegenstandes, ist entweder productiv, d. i. ein Vermögen der ursprünglichen Darstellung des letteren (exhibitio originaria), welche also vor der Erfahrung vorhergeht; oder reproductiv, der abgeleiteten (exhibitio derivativa), welche 25 eine vorher gehabte empirische Anschauung ins Gemüth zurückbringt. Reine Raumes- und Zeitanschauungen gehören zur erstern Darstellung; alle übrige setzen empirische Anschauung voraus, welche, wenn sie mit dem Begriffe vom Gegenstande verbunden und also empirisches Erkenntniß wird, Erfahrung heißt. Die Einbildungskraft, so fern sie auch 30 unwillkürlich Einbildungen hervorbringt, heißt Phantasie. Der, welcher diese für (innere oder äußere) Erfahrungen zu halten gewohnt ist, ist ein Phantast. Im Schlaf (einem Zustande der Gesundheit) ein unwillkürliches Spiel seiner Einbildungen zu sein, heißt träumen.

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Die Einbildungskraft ist (mit andern Worten) entweder dichtend. 35 (productiv), oder blos zurückrufend (reproductiv). Die productive aber

ist dennoch darum eben nicht schöpferisch, nämlich nicht vermögend, eine Sinnenvorstellung, die vorher unserem Sinnesvermögen nie gegeben war, hervorzubringen, sondern man kann den Stoff zu derselben immer nachweisen. Dem, der unter den sieben Farben die rothe nie gesehen hätte, kann man diese Empfindung nie faßlich machen, dem Blindgebornen aber 5 gar keine; selbst nicht die Mittelfarbe, die aus der Vermischung zweier hervorgebracht wird; z. B. die grüne. Gelb und blau, mit einander gemischt, geben grün; aber die Einbildungskraft würde nicht die mindeste Vorstellung von dieser Farbe, ohne sie vermischt gesehen zu haben, hervorbringen.

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Eben so ist es mit jedem besonderen aller fünf Sinne bewandt, daß nämlich die Empfindungen aus denselben in ihrer Zusammenseßung nicht durch die Einbildungskraft können gemacht, sondern ursprünglich dem Sinnesvermögen abgelockt werden müssen. Es hat Leute gegeben, die für die Lichtsvorstellung keinen größeren Vorrath in ihrem Sehevermögen 15 hatten, als weiß oder schwarz, und für die, ob sie gleich gut sehen konnten, die sichtbare Welt nur wie ein Kupferstich erschien. Eben so giebt es mehr Leute, als man wohl glaubt, die von gutem, ja sogar äußerst feinem, aber schlechterdings nicht musikalischem Gehör sind, deren Sinn für Töne, nicht blos um sie nachzumachen (zu singen), sondern auch nur vom bloßen 20 Schall zu unterscheiden, ganz unempfänglich ist. — Eben so mag es mit den Vorstellungen des Geschmacks und Geruchs bewandt sein, daß nămlich für manche specifische Empfindungen dieser Stoffe des Genusses der Sinn mangelt, und einer den anderen hierüber zu verstehen glaubt, indeffen daß die Empfindungen des Einen von denen des Anderen nicht blos 25 dem Grade nach, sondern specifisch ganz und gar unterschieden sein mögen. Es giebt Leute, denen der Sinn des Geruchs gänzlich mangelt, die die Empfindung des Einziehens der reinen Luft durch die Nase für Geruch halten und daher aus allen Beschreibungen, die man ihnen von dieser Art zu empfinden machen mag, nicht klug werden können; wo aber der Geruch 30 mangelt, da fehlt es auch sehr am Geschmack, den, wo er nicht ist, zu lehren und beizubringen vergebliche Arbeit ist. Der Hunger aber und die Befriedigung desselben (die Sättigung) ist ganz was anders als der Geschmack.

Wenn also gleich die Einbildungskraft eine noch so große Künstlerin, 35 ja Zauberin ist, so ist sie doch nicht schöpferisch, sondern muß den Stoff zu ihren Bildungen von den Sinnen hernehmen. Diese aber sind nach

den eben gemachten Erinnerungen nicht so allgemein mittheilbar, als die Verstandesbegriffe. Man nennt aber (wiewohl nur uneigentlich) auch die Empfänglichkeit für Vorstellungen der Einbildungskraft in der Mittheilung bisweilen einen Sinn und sagt: Dieser Mensch hat hiefür keinen 5 Sinn, ob es zwar eine Unfähigkeit nicht des Sinnes, sondern zum Theil des Verstandes ist, mitgetheilte Vorstellungen aufzufassen und im Denken zu vereinigen. Er denkt selbst nichts bei dem, was er spricht, und andere verstehen ihn daher auch nicht; er spricht Unsinn (non sense), welcher Fehler noch von dem Sinnleeren unterschieden ist, wo Gedanken so zu10 sammen gepaart werden, daß ein Anderer nicht weiß, was er daraus machen soll. - Daß das Wort Sinn (aber nur im Singular) so häufig für Gedanken gebraucht, ja wohl gar eine noch höhere Stufe, als die des Denkens ist, bezeichnen soll; daß man von einem Ausspruche sagt: es liege in ihm ein reichhaltiger oder tiefer Sinn (daher das Wort Sinnspruch), 15 und daß man den gesunden Menschenverstand auch Gemeinsinn nennt und ihn, obzwar dieser Ausdruck eigentlich nur die niedrigste Stufe vom Erkenntnißvermögen bezeichnet, doch obenan sezt, gründet sich darauf: daß die Einbildungskraft, welche dem Verstande Stoff unterlegt, um den Begriffen desselben Inhalt (zum Erkenntnisse) zu verschaffen, vermöge der 20 Analogie ihrer (gedichteten) Anschauungen mit wirklichen Wahrnehmungen jenen Realität zu verschaffen scheint.

§ 29. Die Einbildungskraft*) zu erregen oder zu besänftigen, giebt es ein körperliches Mittel in dem Genusse berauschender Genießmittel,

* Ich übergehe hier, was nicht Mittel zu einer Absicht, sondern natürliche 25 Folge aus der Lage ist, darein jemand gesetzt wird, und wodurch blos seine Einbildungskraft ihn außer Fassung bringt. Dahin gehört der Schwindel beim Herabsehen vom Rande einer steilen Höhe (allenfalls auch nur einer schmalen Brücke ohne Geländer) und die Seekrankheit. Das Bret, worauf der sich schwach fühlende Mensch tritt, würde, wenn es auf der Erde läge, ihm keine Furcht einjagen; wenn 30 es aber als ein Steg über einen tiefen Abgrund gelegt ist, vermag der Gedanke von der bloßen Möglichkeit fehl zu treten so viel, daß er bei seinem Versuche wirklich in Gefahr kommt. Die Seekrankheit (von welcher ich selbst in einer Fahrt von Pillau nach Königsberg eine Erfahrung gemacht habe, wenn man anders dieselbe eine Seefahrt nennen will) mit ihrer Anwandlung zum Erbrechen kam, wie ich bemerkt 35 zu haben glaube, mir blos durch die Augen; da, beim Schwanken des Schiffs aus der Kajüte gesehen, mir bald das Haff, bald die Höhe von Balga in die Augen fiel und das wiederkommende Sinken nach dem Steigen vermittelst der Einbildungskraft durch die Bauchmuskeln eine antiperistaltische Bewegung der Eingeweide reizte.

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deren einige als Gifte die Lebenskraft schwächend (gewisse Schwämme, Porsch, wilder Bärenklau, das Chica der Peruaner und das Ava der Südseeindianer, das Opium); andere sie stärkend, wenigstens ihr Gefühl erhebend (wie gegohrne Getränke, Wein und Bier, oder dieser ihr geistiger Auszug, Branntwein), alle aber widernatürlich und gekünstelt 5 sind. Der, welcher sie in solchem Übermaße zu sich nimmt, daß er die Sinnenvorstellungen nach Erfahrungsgesetzen zu ordnen auf eine Zeit lang unvermögend wird, heißt trunken oder berauscht; und sich willkürlich oder absichtlich in diesen Zustand versehen, heißt sich berauschen. Alle diese Mittel aber sollen dazu dienen, den Menschen die Last, die ursprüng= 10 lich im Leben überhaupt zu liegen scheint, vergessen zu machen. — Die sehr ausgebreitete Neigung und der Einfluß derselben auf den Verstandesgebrauch verdient vorzüglich in einer pragmatischen Anthropologie in Be= trachtung gezogen zu werden.

Alle stumme Berauschung, d. i. diejenige, welche die Geselligkeit und 15 wechselseitige Gedankenmittheilung nicht belebt, hat etwas Schändliches an sich; dergleichen die vom Opium und dem Branntwein ist. Wein und Bier, wovon der erstere blos reizend, das zweite mehr nährend und gleich einer Speise sättigend ist, dienen zur geselligen Berauschung; wobei doch der Unterschied ist, daß die Trinkgelage mit dem letteren mehr träume 20 risch verschlossen, oft auch ungeschliffen, die aber mit dem ersteren fröhlich, laut und mit Wih redselig sind.

Die Unenthaltsamkeit im gesellschaftlichen Trinken, die bis zur Benebelung der Sinne geht, ist allerdings eine Unart des Mannes nicht blos in Ansehung der Gesellschaft, mit der man sich unterhält, sondern 25 auch in Absicht auf die Selbstschäßung, wenn er aus ihr taumelnd, wenigstens nicht sicheren Tritts, oder blos lallend herausgeht. Aber es läßt sich auch vieles zur Milderung des Urtheils über ein solches Versehen, da die Gränzlinie des Selbstbesitzes so leicht übersehen und überschritten werden kann, anführen; denn der Wirth will doch, daß der Gast durch 30 diesen Act der Geselligkeit völlig befriedigt (ut conviva satur) herausgehe.

Die Sorgenfreiheit und mit ihr auch wohl die Unbehutsamkeit, welche der Rausch bewirkt, ist ein täuschendes Gefühl vermehrter Lebenskraft; der Berauschte fühlt nun nicht die Hindernisse des Lebens, mit deren Überwältigung die Natur unablässig zu thun hat (worin auch die Gesundheit 35 besteht), und ist glücklich in seiner Schwäche, indem die Natur wirklich in ihm bestrebt ist, durch allmählige Steigerung seiner Kräfte sein Leben

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