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Menschen mit sich selbst vertritt die Stelle einer Gesellschaft, indem es die Leere der Zeit statt des Gespräches mit immer neu erregten Empfindungen und schnell vorbeigehenden, aber immer wieder erneuerten Anreizen ausfüllt.

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Vom inneren Sinn.

§ 24. Der innere Sinn ist nicht die reine Apperception, ein Be= wußtsein dessen, was der Mensch thut, denn dieses gehört zum Denkungsvermögen, sondern was er leidet, wiefern er durch sein eignes Gedankenspiel afficirt wird. Ihm liegt die innere Anschauung, folglich das Ver10 hältniß der Vorstellungen in der Zeit (so wie sie darin zugleich oder nach einander find) zum Grunde. Die Wahrnehmungen desselben und die durch ihre Verknüpfung zusammengeseßte (wahre oder scheinbare) innere Erfahrung ist nicht blos anthropologisch, wo man nämlich davon absieht, ob der Mensch eine Seele (als besondere unkörperliche Substanz) 15 habe oder nicht, sondern psychologisch, wo man eine solche in sich wahrzunehmen glaubt, und das Gemüth, welches als bloßes Vermögen zu empfinden und zu denken vorgestellt ist, als besondere im Menschen wohnende Substanz angesehen wird. — Da giebt es alsdann nur Einen inneren Sinn, weil es nicht verschiedene Organe sind, durch welche der 20 Mensch sich innerlich empfindet, und man könnte sagen, die Seele ist das Organ des inneren Sinnes, von dem nun gesagt wird, daß er auch Täuschungen unterworfen ist, die darin bestehen, daß der Mensch die Erscheinungen desselben entweder für äußere Erscheinungen, d. i. Einbildungen. für Empfindungen, nimmt, oder aber gar für Eingebungen hält, von 25 denen ein anderes Wesen, welches doch kein Gegenstand äußerer Sinne ist, die Ursache sei: wo die Illusion alsdann Schwärmerei oder auch Geisterscherei und beides Betrug des inneren Sinnes ist. In beiden Fällen ist es Gemüthskrankheit: der Hang das Spiel der Vorstellungen des inneren Sinnes für Erfahrungserkenntniß anzunehmen, da es doch 30 nur eine Dichtung ist; oft auch sich selbst mit einer gekünftelten Gemüthsstimmung hinzuhalten, vielleicht weil man sie für heilsam und über die Niedrigkeit der Sinnenvorstellungen erhaben hält, und mit darnach geformten Anschauungen (Träumen im Wachen) sich zu hintergehen. Denn nachgerade hält der Mensch das, was er sich selbst vorseßlich ins 35 Gemüth hineingetragen hat, für etwas, das schon vorher in demselben

Kant's Schriften. Werke. VII.

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gelegen hätte, und glaubt das, was er sich selbst aufdrang, in den Tiefen seiner Seele nur entdeckt zu haben.

So war es mit den schwärmerisch-reizenden inneren Empfindungen einer Bourignon, oder den schwärmerisch-schreckenden eines Pascal bewandt. Diese Verstimmung des Gemüths kann nicht füglich durch ver- 5 nünftige Vorstellungen (denn was vermögen die wider vermeinte Anschauungen?) gehoben werden. Der Hang in sich selbst gekehrt zu sein kann fammt den daher kommenden Täuschungen des inneren Sinnes nur dadurch in Ordnung gebracht werden, daß der Mensch in die äußere Welt und hiemit in die Ordnung der Dinge, die den äußeren Sinnen vorliegen, 10 zurückgeführt wird.

Von den Ursachen der Vermehrung oder Verminderung der Sinnenempfindungen dem Grade nach.

§ 25. Die Sinnenempfindungen werden dem Grade nach vermehrt durch 1) den Contrast, 2) die Neuigkeit, 3) den Wechsel, 4) die Steigerung. 15

a.

Der Contrast.

Abstechung (Contrast) ist die Aufmerksamkeit erregende Nebeneinanderstellung einander widerwärtiger Sinnesvorstellungen unter einem und demselben Begriffe. Sie ist vom Widerspruch unterschieden, 20 welcher in der Verbindung einander widerstreitender Begriffe besteht.— Ein wohlgebautes Stück Landes in einer Sandwüste hebt die Vorstellung des ersteren durch den bloßen Contrast; wie die angeblich paradiesischen Gegenden in der Gegend von Damascus in Syrien. — Das Geräusch und der Glanz eines Hofes oder auch nur einer großen Stadt neben dem 25 stillen, einfältigen und doch zufriedenen Leben des Landmanns; einHaus unter einem Strohdach, inwendig mit geschmackvollen und bequemen Zimmern anzutreffen, belebt die Vorstellung, und man weilt gern dabei: weil die Sinne dadurch gestärkt werden. — — Dagegen Armut und Hoffart, prächtiger Puß einer Dame, die mit Brillanten umschimmert und deren 30 Wäsche unsauber ist; — oder, wie ehemals bei einem polnischen Magnaten, verschwenderisch beseßte Tafeln und dabei zahlreiche Aufwärter, aber in

Bastschuhen, stehen nicht im Contrast, sondern im Widerspruch, und eine Sinnenvorstellung vernichtet oder schwächt die andere, weil sie unter einem und demselben Begriffe das Entgegengesezte vereinigen will, welches unmöglich ist. Doch kann man auch komisch contrastiren und einen 5 augenscheinlichen Widerspruch im Ton der Wahrheit, oder etwas offenbar Verächtliches in der Sprache der Lobpreisung vortragen, um die Ungereimt= heit noch fühlbarer zu machen, wie Fielding in seinem Jonathan Wild dem Großen, oder Blumauer in seinem travestirten Virgil, und z. B. einen herzbeklemmenden Roman, wie Clarissa, lustig und mit Nußen 10 parodiren und so die Sinne stärken, dadurch daß man sie vom Widerstreite befreit, den falsche und schädliche Begriffe ihnen beigemischt haben.

b.

Die Neuigkeit.

Durch das Neue, wozu auch das Seltene und das verborgen Ge15 haltene gehört, wird die Aufmerksamkeit belebt. Denn es ist Erwerb; die Sinnenvorstellung gewinnt also dadurch mehr Stärke. Das Alltägige oder Gewohnte löscht sie aus. Doch ist darunter nicht die Entdeckung, Berührung oder öffentliche Ausstellung eines Stücks des Alterthums zu verstehen, wodurch eine Sache vergegenwärtigt wird, 20 von der man nach dem natürlichen Lauf der Dinge hätte vermuthen sollen, daß die Gewalt der Zeit sie längst vernichtet hätte. Auf einem Stück des Gemauers des alten Theaters der Römer (in Verona oder Nimes) zu fiten, einen Hausrath jenes Volks aus dem alten, nach viel Jahrhunderten unter der Lava entdeckten Herculanum in Händen zu haben, eine Münze 25 macedonischer Könige, oder eine Gemme von der alten Sculptur vorzeigen. zu können u. d. g., weckt die Sinne des Kenners zur größten Aufmerksamkeit. Der Hang zur Erwerbung einer Kenntniß bloß ihrer Neuigkeit, Seltenheit und Verborgenheit halber wird die Curiosität genannt. Diese Neigung, ob sie zwar nur mit Vorstellungen spielend und sonst ohne 30 Interesse an ihrem Gegenstande ist, wenn sie nur nicht auf Ausspähung deffen geht, was eigentlich nur Andere interessirt, ist nicht zu tadeln. Was aber den bloßen Sinneindruck betrifft, so macht jeder Morgen blos durch die Neuigkeit seiner Empfindungen alle Vorstellungen der Sinne (wenn diese nur sonst nicht krankhaft find) klärer und belebter, als sie 35 gegen Abend zu sein pflegen.

C.

Der Wechsel.

Monotonie (völlige Gleichförmigkeit in Empfindungen) bewirkt endlich Atonie derselben (Ermattung der Aufmerksamkeit auf seinen Zu= stand), und die Sinnenempfindung wird geschwächt. Abwechselung frischt 5 sie auf; so wie eine in ebendemselben Tone, es sei geschrieene oder mit gemäßigter, aber gleichförmiger Stimme abgelesene Predigt die ganze Gemeine in Schlaf bringt. — Arbeit und Ruhe, Stadt- und Landleben, im Umgange Unterredung und Spiel, in der Einsamkeit Unterhaltung bald mit Geschichten, bald mit Gedichten, einmal mit Philosophie und 10 dann mit Mathematik stärken das Gemüth. Es ist eben dieselbe Lebenskraft, welche das Bewußtsein der Empfindungen rege macht; aber die verschiedenen Organe derselben lösen einander in ihrer Thätigkeit ab. So ist es leichter, sich eine geraume Zeit im Gehen zu unterhalten, weil da ein Muskel (der Beine) mit dem anderen in der Ruhe wechselt, als steif 15 auf einer und derselben Stelle stehen zu bleiben, wo einer unabgespannt eine Weile wirken muß. Daher ist das Reisen so anlockend; nur Schade daß es bei müßigen Leuten eine Leere (die Atonie), als die Folge von der Monotonie des häuslichen Lebens, zurückläßt.

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Die Natur hat es nun zwar schon selbst so geordnet, daß sich zwischen 20 angenehmen und den Sinn unterhaltenden Empfindungen der Schmerz ungerufen einschleicht und so das Leben interessant macht. Aber absichtlich, der Abwechselung wegen, ihn beizumischen und sich wehe zu thun, sich aufwecken zu lassen, um das erneuerte Einschlafen recht zu fühlen, oder, wie in Fieldings Roman (der Findling) ein Herausgeber dieses Buchs 25 nach des Verfassers Tode noch einen leßten Theil hinzufügte, um der Abwechselung halber in die Ehe (womit die Geschichte schloß) noch Eifersucht hineinzubringen, ist abgeschmackt; denn die Verschlimmerung eines Zustandes ist nicht Vermehrung des Interesse, welches die Sinne daran. nehmen; selbst nicht in einem Trauerspiel. Denn Beendigung ist nicht 30 Abwechselung.

d.

Die Steigerung bis zur Vollendung.

Eine continuirliche Reihe dem Grade nach verschiedener auf einander folgender Sinnesvorstellungen hat, wenn die folgende immer stårker 35

ist als die vorhergehende, ein Äußerstes der Anspannung (intensio), dem sich zu nähern erweckend, es zu überschreiten wiederum abspannend ist (remissio). In dem Punkte aber, der beide Zustände trennt, liegt Vollendung (maximum) der Empfindung, welche Unempfindlich5 keit, mithin Leblosigkeit zur Folge hat.

Will man das Sinnenvermögen lebendig erhalten, so muß man nicht von den starken Empfindungen anfangen (denn die machen uns gegen die folgenden unempfindlich), sondern sie sich lieber anfänglich versagen und sich kärglich zumessen, um immer höher steigen zu können. Der 10 Kanzelredner fångt in der Einleitung mit einer kalten Belehrung des Verstandes an, die zu Beherzigung eines Pflichtbegriffs hinweiset, bringt hernach in die Zergliederung seines Tertes ein moralisches Interesse hinein und endigt in der Application mit Bewegung aller Triebfedern der menschlichen Seele durch die Empfindungen, welche jenem Interesse Nach15 druck geben können.

Junger Mann! versage dir die Befriedigung (der Lustbarkeit, der Schwelgerei, der Liebe u. d. g.), wenn auch nicht in der stoischen Absicht, ihrer gar entbehren zu wollen, sondern in der feinen epikurischen, um einen immer noch wachsenden Genuß im Prospect zu haben. Dieses Kargen 20 mit der Baarschaft deines Lebensgefühls macht dich durch den Aufsch u b des Genusses wirklich reicher, wenn du auch dem Gebrauch derselben am Ende des Lebens großentheils entsagt haben solltest. Das Bewußtsein, den Genuß in deiner Gewalt zu haben, ist wie alles Idealische fruchtbarer und weiter umfassend als Alles, was den Sinn dadurch befriedigt, daß 25 es hiemit zugleich verzehrt wird und so von der Masse des Ganzen abgeht.

Von der Hemmung, Schwächung und dem gänzlichen Verlust des Sinnenvermögens.

§ 26. Das Sinnenvermögen fann geschwächt, gehemmt oder gänzlich 30 aufgehoben werden. Daher die Zustände der Trunkenheit, des Schlafs, der Ohnmacht, des Scheintodes (Asphyrie) und des wirklichen Todes.

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Die Trunkenheit ist der widernatürliche Zustand des Unvermögens seine Sinnenvorstellungen nach Erfahrungsgesehen zu ordnen, so fern er die Wirkung eines übermäßig genommenen Genießmittels ist.

Der Schlaf ist der Worterklärung nach ein Zustand des Unvermögens

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