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keinen Antheil haben; dieses lebendig glauben, und doch keinen Antrieb spüren, feinen Geboten zu ges horchen; wer kann solches ohne Widerspruch denken ? Dieser Bewegungsgrund aber, über den der Him. mel nichts höheres hat, ist in der christlichen Moral nicht nur ein Antrieb zur Beständigkeit in der Tugend, sondern auch die Quelle und die Kraft der Tugend. Die Liebe zu Gott, die aus dem Glauben erzeugt wird, daß wir, ungeachtet aller unsrer Strafwürdigkeit, durch das Verdienst eines göttlichen Mittlers aus Gnaden unendlich glücklich sind, besces let das Herz mit einer göttlichen Kraft, seine bösen Neigungen zu überwinden. Sie breitet Wohlwollen und Liebe gegen alle Menschen in demselben aus. Sie adelt unsre Absichten und macht Gottes Willen dem Herzen, das von Natur gern ungefesselt seyn will, angenehm. Es empfindet die Göttlichkeit der Tugend und fühlet, daß seine Pflicht, so strenge sie auch scheint, doch nichts, als sein Glück und die Vereinigung mit der Quelle aller Vollkommenheiten und Glückseligkeit ist. Es fühlet den innerlichen Frieden, der höher ist, denn alle Vernunft.

Diese Kraft zur Verbefferung des Verstandes und des Herzens entbehret die Moral der Vernunft. Ihre Verheißungen, wodurch sie zur Tugend beweget, sind äußerliche Wohlfahrt, eine gewisse Stille und Ruhe des Herzens, und ein dunkler Schimmer ewiger Glückseligkeit. Die Moral der Religion verz spricht ihren Schülern Gerechtigkeit, Friede und Freude in dem heiligen Geiste hier in dieser Welt, und in der ewigen mit der größten Gewißheit überschwengs liche Herrlichkeit, und gewähret uns schon den Vorschmack derselben in gewissen feligen Stunden. Et

ist wahr, die Moral der Vernunft lehret uns vieles, bas uns die Offenbarung nicht lehret, als da sind die Regeln und Mittel der Klugheit. Aber eben, weil das die Vernunft für sich einschen kann, übergeht es die Schrift, deren Hauptabsicht ist, gefallne und fündige Menschen zur Seligkeit weise und ges schickt zu machen. Hingegen geben die großen Beyspiele der Tugend, die uns die Schrift vorstellet,. und besonders das vollkommenste Muster unsers. Herrn und Erlösers, der christlichen Sittenlehre. einen unendlichen Vorzug.

Die christliche Moral läßt ihren Schüler, den gebefferten Menschen, noch unvollkommen. Er bleibt schwach, weil er ein Mensch bleibt, und weil ihm das Böse, das er bestreitet, noch immer anklebt und ihn zum Guten tråge macht; allein sie erhebt ihn doch auf eine weit höhere und herrlichere Stufe der Eugend, als die philosophische Moral. Wer kann dieses leugnen, wenn er die Religion und die Vernunft tennet?

Die christliche Moral lehret, daß Gott unfre unvollkommene und fehlerhafte, aber doch aufrichtige Tugend, um einer göttlichen uns erworbnen Gerechtigkeit willen, als vollkommer. annehmen und ewig belohnen will. Die Moral der Vernunft wůnschet und hoffet nur, daß Gott einen unvollkomme nen aber aufrichtigen Gehorsam, und eine tägliche Bestrebung, beffer zu werden, mit Wohlgefallen ans sehen und die begangenen Uebertretungen seiner Ges sebe, und die mannigfaltigen Laster nicht ewig ahn. den werde.

Lassen Sie uns Beide, den Tugendfreund der Vernunft und der Religion, in Eine Stellung brine

gen. Sie sind am Ende ihres Lebens, und richten sich Beide in der Stunde des Todes mit Hoffnun gen auf.

Ich übersehe ist, fångt der philosophisch Tugendhafte an, ich übersehe ist die vollendete Bahn des Lebens, die mir der Urheber der Welt ⚫angewiefen hatte. Ich habe mich aufrichtig bemüht, seinen Willen zu erkennen, und die Pflicht gegen ihn, gegen mich und die Welt zu erfüllen. Aber habe ich diese Pflicht genug erkannt, stets, und auf. die beste Art, so wohl in meinem Herzen, als in meinem Wandel, ausgeübt, um des Beyfalls eines allwissenden Zeugen und seiner Gnade würdig zu feyn? Er ist die Quelle der Vollkommenheit; habe ich ihn am meisten geliebet, und mehr, als alles, verehret? Ich sehe einzelne Tugenden des Junglings, des Mannes und des Greifes in meinem Leben. Dieses Zeugniß kann ich mir am Rande des Grabes ertheilen; und du, o Gott, du willst das Gute, und bist sein Freund und Belohner! Doch wie schwach und unvollkommen sind meine Tugenden! Wirst du auch die belohnen, die ich mehr aus Menschenfurcht, aus Ehrgeiz und Erziehung, aus Temperament und Eigenliebe, als aus Chr= furcht gegen dich, ausgeübet habe? - Ich sehe gute Absichten und Unternehmungen in meinem Leben, Dienste der Menschenliebe. Aber ich sehe in allen Auftritten meines Lebens auch viele Gebrechen; hier Thorheiten und Ausschweifungen der Jugend, Laster der männlichen Jahre und Gebrechen des höhern Alters; in der einen Waagschale das vers fäumte Gute und das bewilligte Böse; wie viel ist dessen! in der andern das vollbrachte Gute und das

besiegte

besiegte Böse; wie wenig ist deffen! Ich fühle Be strafungen des Gewissens. Gott kennt alle meine Fehler, auch die geheimsten der Gedanken und Neis gungen; fie sind Empêrungen wider seine Gesche, die er mir durch die Vernunft und das Gewissen entdeckte. Wird er diese Verg.hungen in einer zu künftigen Welt ewig bestrafen? Er ist Heiligkeit! Wird er mich mit Gnade beglücken? Er ist Liebe! Werde ich ewig dauern? Aber ich bin Staub und ein Sünder! Werde ich nicht evig dauern? Aber ich bin Gottes Geschöpf, und fühle das Vers langen in mir, unendlich zu leben! Wer entreißt mich dieser Ungewißheit, und zugleich der Furcht? Die Vernunft? Redte sie doch entscheidender! Der Tod wird meine Zweifel auflösen. Ich trete also in eine andre Welt ein; auch in eine ewige und glückliche? Das wolle Gott! Er fagts, und stirbt,

Lassen Sie den Tugendhaften nach der Religion auch auf dem Lager des Todes das Bekenntniß seines Glaubens und seiner Hoffnung ablegen. Stüßt er sich auf seine schwachen Tugenden, um den Schritt in die Ewigkeit beherzt zu thun? Ist nicht durch den Glauben an den Erlöser ein göttliches Verdienst sein, das ihm bey Gott Vergebung der Sünden, und selbst für seine unvolls kommne Tugend Belohnung erwarb? Hat er keine höhern Hoffnungen, als die, welche ihm die Strah. len der gefunden Vernunft entdecken? Lassen Sie ihn reden. Er übersieht sein Leben und blickt mit seinem Geiste über das Grab hinaus, in die Ewigs keit. Der Arzt hat ihm schon sein nahes Ende vers Gellerts Schriften. VI.

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tündiget. Er richtet seine Gedanken auf Gott, und spricht voller hohen Zuversicht:

Co ist, Allmächtiger, denn meine Hülfe nah?
Du rufft. Hier bin ich, Herr! Preis und Halleluja
Sey dir, der seine Hand stets über mich gebreitet,
Dir, Gott, der bis ans Grab mich wunderbar geleitet !
Wie oft vergaß mein Herz sein Heil und seine Pflicht!
Noch giengst du, Heiliger, nicht mit mir ins Gericht.
Vernimm des Dankes Lied, das ich dir sterbend bringe :
Ich bin viel zu gering, der Treu viel zu geringe
Und der Barmherzigkeit, die du an mir gethan.
Sobfingend bet ich dich mit allen Himmeln an.
Dich, Heil der ganzen Welt! Erfülle mein Ver
trauen,

und deine Herrlichkeit laß meine Seele schauen.
Du bist die Lieb, o Gott, und Gnade für und für;
Mein Geist wird selig seyn; denn ihn befehl ich dir.
Mit allen Heiligen von Herrlichkeit umgeben,
unsterblich, Engeln gleich, werd ich dich schaun, und

Leben.

und du, mein bester Freund, der sich den Ruhm erwirbt,

Im Tod es mir zu seyn, leb wohl!

und stirbt.

Er sprichts,

Wer hat den höchsten Trost? Der Fromme nach der Vernunft; oder der Fromme nach der Religion? Dieser stirbt nach seinem Glauben mit einem demüthigen Heldenmuthe, und jener nach seis ném Glauben mit Hoffnung und Furcht zugleich. Denn das beunruhigte Gewiffen kann durch die Vernunft nie ganz gestillet werden. Wodurch soll ich das Bewußtseyn und die Folgen böser Thaten aufs heben? Durch gute? Aber hören jene darum auf,

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