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Dritte Vorlesung.

Von dem Vorzuge der heutigen Moral vor der Moral der alten Philosophen, und der Schrecklichkeit der freygeisterischen Moral.

Unsere heutige Moral, (wir verstehen darunter zu

gleich die Wahrheiten der natürlichen Theologie und des Rechts der Natur,) hat vor der Moral der alten Griechen und Römer keinen geringen Vorzug; einen Vorzug, der leicht in die Augen fällt, wenn man sich nicht durch eine übermäßige Verehrung des Alterthums selbst blendet.

Die Begriffe von der Gottheit sind bey den Meisten der alten Weltweisen, hier unvollkommen und finster, dort abentheuerlich und schrecklich. *)

*) Man wird wohl hier keinen ausführlichen und vollständigen Unterricht von der Moral der heidnischen Weltweisen erwarten. Dergleichen Unterricht würde offenbar gegen die Absicht und ganze Anlage dieses Gellerts Schriften. VI.

Bald bevölkern sie den Olymp mit vielen Göttern, bald lassen sie ihn von einem müßigen Gott bewoh

Werkes streiten. Die Moral ist darinnen nicht als eine gelehrte Wissenschaft, sondern als eine Wissenschaft für das Herz ganz praktisch vorgetra= gen. Auch bey der gegenwärtigen Borlesung seget der selige Verfasser die Kenntniß von der Moral der alten Philofophen voraus, und führet deswe= gen nur so viel an, als nöthig war, um Folge= rungen daraus herzuleiten. Bey dem gewählten Vortrage fand auch in der Vorlesung selber, wenn fie gehalten wurde, eine weitere Belchrung von der Richtigkeit dieser Voraussetzungen nicht Statt, aber bey dem Drucke derselben hat es eine andere Bewandniß. Diefer erlaubet einige Ullegaten, wo man sich von der Wahrheit dessen, was der Ver: fasser vorausgelegt, mit mehrerm unterrichten kann; und die Verschiedenheit der Leser scheinet dieselben zu verlangen. Wir halten uns daher um so vielmehr dazu für verbunden, da unser feliger Freund selbst dazu geneigt schien, als er in seinem lezten Jahre den Entschluß faßte, den ihn sein Tod auszu = führen gehindert hat: nämlich seine Moral völlig in den Stand zu sehen, daß sie allezeit zum Drucke fertig låge. Indessen glauben wir, allem, was bey einem Buche dieser Art von uns verlangt wer den kann, Genüge zu thun, wenn wir vornehmlich auf das große Bruckerische Werk, als das Hauptbuch in dieser Materie, verweisen, und aus diesem die nöthigen Citate beyfügen. Da übrigens die Moral eines Gellerts sich auch solche Leser versprechen darf, denen diese Kenntnisse fremder sind, so glauben wir, ihnen schuldig zu seyn, so wohl

net werden, *) bald seßen sie ein unvermeidliches Schicksal **) auf den Thron; bald lassen sie die

bey den Allegaten durch Anführung des Rollins und ähnlicher Bücher auf sie gleichfalls Rücksicht zu nehmen, als auch hier und da kleine Erläute= rungen beyzufügen, die andern, der Sache kundigern Lesern nicht anders, als überflüssig, scheinen fönnen.

Unmerk der Herausg.

*) Dieß geschah bekanntermaßen von der Sefte der Epikurer. Wie sie ihren Göttern eine den Mens schen ähnliche Gestalt beylegten, so bildeten sie sich dieselben auch darinne den Menschen ähnlich, daß sie besorgten, Geschäfte möchten ihnen zu lästig feyn, und ihre Seligkeit stören. Diese Götter waren daher auch, nach ihrem Systeme weder die Werkmeister, noch die Regenten und Vorsteher dev Welt, sondern genossen in den Zwischenwelten, als ihrer Wohnung, einer süßen Ruhe. Sie wollten sie wohl verehrt wissen, aber bloß um ihrer Vortrefflichkeit willen; denn sie hielten sie weder des Zornes noch der Gnade fähig, weil, ihren Grundfågen zufolge, mit dem allem keine Glückseligkeit bestehen konnte. BRUCK. Histor. Crit. Philos. Tom. I. P. II. Lib. II. cap. 13. §. 11. n. 87. und §. 12. n. 5 11. Rollins Gesdichte alter Zeiten und Völker. XIII. Thl. 35. u. f. &. Anmerk. der Herausg.

**) Dieß that Zeno, der Stifter der ftoischen Eette, Er unterwarf nicht etwa nur die Untergetter, die nach seinem Systeme aus dem höchsten Gotte aus=

ganze Natur Gott seyn, *) bald haben sie gar keis nen Gott, und das Ungefähr tritt an seine

geflossen waren, und dereinst in ihn zurückfließen follten, dem Schicksale oder Fato; sondern selbst seinen höchsten Gott. Seneca sagt davon :,,Selbst ,,der Werkmeister und Regierer aller Dinge hat ,,die Gefeße des Verhängnisses zwar geschrieben, ,, aber er folget ihnen. Er gehorchet allezeit, und ,,hat nur einmal befohlen. Desgleichen ander: wårts: Er ist sich selbst seine Nothwendigkeit. BRUCK, Tom. et Lib. cit. c. 9. Sect. 1. §. 7. 11. 17 22. Rollins angeführte Historie XIII, Th. 24. und f. 44. u. f. Seite.

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Anmerk. der Herausg.

Ein solcher Vorwurf scheint besonders verschiedene Philosophen der jonischen Sekte zu treffen, deren Stifter Thales war. Der Stifter zwar lehrte daß Gott derjenige Verstand sey, der aus dem Wasser, welches dieser Weise zum Grundwesen aller Dinge annahm, alles gemacht habe. Er drücket sich aber so dunkel davon aus, daß man ihn selber der Atheisterey verdächtig gehalten. Sein Nachfolger, Unaximander, meynte: das Grundwesen und Element aller Dinge sey ein einziges Unendliches, das zwar in den Theilen fich veråndere, aber im Ganzen unveränderlich sey; aus ihm habe alles seinen Ursprung, und in ihm seine Endschaft; aus ihm entsprången auch Götter, die hinwieder untergiengen, nåmlich unzählige Welten. Eben so behauptete sein Schüler, Anaxime: nes: das Grundwesen aller Dinge sey die Luft; aus ihr entspringe alles, und in sie kehre alles

Stelle. *) Auch ein Sokrates, der die reinsten Bes griffe von der Gottheit zu haben scheint, will, daß

durch seinen Untergang zurück; die Luft fey Gott;
fie fey stets in Bewegung, und unendlich, δα
hingegen alles, was aus ihr den Ursprung habe,
endlich sey. Wenigstens haben diese Philosophenfihre
Gottheit der Materie so eingewebet, daß sie uns
in Ungewißheit lassen, ob dieselbe die Natur selber
seyn solle, oder nur eine Weltfeele, die durch die
ganze Natur sich ergießt. Noch schlimmer philo=
sophiret Xenophanes, der Stifter der eleatischen
Sekte, von der Gottheit. Er saget: Gott sey
ewig, einzig, sich selber allenthalben gleich, einge-
schränkt, (nåmlich dem Raume und der Ausdeh-
nung nach) kugelrund, und in allen seinen Theilen
fühlbar. Seine göttliche Kraft, die er annimmt,
ist keine besondere Substanz, sondern vielmehr eine
Eigenschaft der Materie, die in der einzigen Sub:
stanz sich befindet. Sein Nachfolger, Parmenides,
nennet Gott einen Kranz, und lehret von ihm,
daß er als ein feuriger Luftkreis den Himmel um:
schließe, und die Welt in sich enthalte. Für den
eleatischen Zeno ist schon dieß ein schlimmes Zei-
chen, das von seinem Sage, es gebe ein einziges
Wesen, und das sey Gott, sich schwerlich ent=
scheiden läßt, ob seine Worte im spinosistischen
Verstande, oder in einem gesunden Sinne zu neh
men sind. BBU GK Libr. cit. cap. I. §. 2. §.
14. n. 2. §. 17. n.
10. §. 9. n. 6. §.
ebend. 18, 19, 21. S.

1

3. cap. II. §. 5. n.

15. n. 2

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9. Rollin

Anmerk. d. Herausg.

*) Hierher gehöret Strato von Lampsakus aus der

peripatetischen oder aristotelischen Sekte. Dem

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