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das ihn in Fesseln schlägt? Einen freudigen Paus lus in Ketten, oder einen Felix, der vor seiner Bea redsamkeit zittert? Vermindern wohl Würden und Reichthümer die Pein eines erwachten Gewissens und die Furcht des Tedes? Wir ringen nach ihnen, wir erreichen sie, und werden gieriger, derselben noch mehr zu erreichen. Sie stillen unsre Wünsche nie ganz; denn unsre Wünsche sind unerfåttlich. Und wenn wir sie auch mäßigen, kömmt denn die Be= friedigung dieser gemäßigten Wünsche nur auf uns, und nicht auf günstige Erfolge an, die nicht von uns abhängen?

Erlangen wir diese äußerlichen Güter nicht, ins dem wir sie suchen, so verwandelt sich die verfehlte Hoffnung in Unruhe. Hingegen das moralische Gut (welche felige Eigenschaft!) erfüllt uns auch noch zu der Zeit, wenn wir darnach trachten, und es nicht gleich, oder nicht im höchsten Maaße erhalten, doch mit innrer Beruhigung und stillem Beyfalle. Die Herrschaft über meinen Zorn, die ich ist zu behaupten suche, glückt mir nicht ganz, oder doch nur spåt. Dennoch bin ich mir meiner guten Absicht bewußt; und dieses tröstet mich. Ich habe lange nach der Geduld gestrebt, und ich sehe immer noch dieses Gut nicht ganz mein. Dennoch beruhiget mich der Gedanke du hast sie nicht vergebens gesucht, du hast deine Pflicht gethan. Ich will eine heilsame Anstalt befördern helfen. Das Mittel ist gut, das ich wähle; aber mein Fleiß und meine Mühe brin gen den erwünschten Ausgang nicht hervor. Dennoch sind sie nicht verloren. Das Andenken der guten Absicht, des redlichen Fleißes, belohnet mich, ob ich gleich die Frucht nicht erreicht sehe. Ich bin

doch beffer geworden, weil mein Herz etwas Gutes gewollt hat; und keine Zeit, kein Urtheil der Mens schen, kein Zufall kann mir diesen Vortheil entreis ßen. Wie weit trefflicher und höher sind also die moralischen Güter, ihrer Beschaffenheit nach, als die übrigen Güter! Welche erquickende Belohnung ists, sich von einer niedern Stufe der Weisheit und des Guten auf die höhere fortgerückt, sich von dies fem, von jenem Fehler losgeriffen sehen, einer uns erlaubten Begierde widerstanden, eine stürmische Leis denschaft besiegt haben, sich vorsichtiger und wachfamer, måßiger und keuscher, bescheidner und gelaßner, in Gefahren muthiger und entschleßner, im Unglücke getroster erblicken, und sich des hohen Bey= standes der Vorsehung und ihrer ewigen Gnade gez trösten dürfen!

So sey dein liebstes Gut ein frommes weises Herz! Dieß mehre deine Luft, dieß mindre deinen Schmerz, Dieß sey dein Rang, dein Stolz, dein höchstes Glück auf Erden!

Sonst alles, nur nicht dieß, kann dir entrissen werden. Zu wissen, es sey dein, zu fühlen, daß dus hast, Dieß Glück erkaufst du nicht durch aller Güter Last; Und ohne dieses Herz schmeck noch so viel Vergnügen, Es ist ein Rausch; und bald, bald wird der Rausch verfliegen.

Zweyte Vorlesung.

Von der natürlichen Empfindung des Guten und Bösen, des Löblichen und Schändlichen.

Meine Herren, es giebt außer dem Unterrichte,

den uns die Vernunft von unsein Pflichten ans beut, noch eine andere Belehrung, die uns das Herz durch eine angebohrne Empfindung von dem, was gut oder böse ist, ertheilet. Diese Empfin dungskraft des Herzens unterstüget den Verstand in der Beurtheilung der Pflicht, und kömmt ihm nicht selten zuvor; oder anders ausgedrückt: wir haben in unsrer Natur nicht nur das Licht der Vers nunft, das uns nöthiget, ein göttliches Gefeß der Tugend zu erkennen, sondern wir befißen in unserm Herzen auch ein Vermögen, durch welches wir empfinden können, ob etwas edel oder unedel, ers laubt oder strafbar, rühmlich oder schänd, lich sey. Dieses Vermögen, diese Empfindung des Herzens ist der Grund des Gewissens, das eigentlich nur durch den Ausspruch über unsre Hand lungen, ob fie gut oder böse sind, sich offenbaret. Von dieser natürlichen sittlichen Empfindung wollen wir ißt besonders reden. Lassen Sie uns

also den Menschen in seinen verschiedenen Neigungen, Gesinnungen und freyen Handlungen gegen fich selbst, gegen andere Menschen, und gegen Gott betrachten. Fragen Sie Ihr Innerstes, was sie an ihm billigen oder mißbilligen, lic ben oder haffen, hochachten oder verabscheuen, für recht oder unrecht erklären; und warum Sie dieses thun; und versuchen Sie, ob wir auch auf diesem Wege zu den Kennzeichen des moralischen Guten und Bösen gelangen können.

Damon sorgt für nichts, als wie er seine Wünsche und Leidenschaften befriedigen will. Fr liebt eigentlich nichts, als was feinen Sinnen schmeis chelt; und seine Arbeit besteht darinne, die anges nehmsten Speisen und Getränke, so oft und so lange er kann, zu sich zu nehmen, und neue Reizungen des Geschmacks zu erfinden. Die körperliche Wollust ist seine tägliche Gefährtin. Er schläft, um wieder den Genuß dieser finnlichen Vergnügungen zu erz neuern; und er erneuert ihn, um wieder schlafen zu können. Billiget Ihr Herz diese Handlungen und Neigungen? Schen Sie mit einem geheimen Beys falle auf diesen Menschen? - Sehen Sie sich an seine Stelle. Wird Ihnen das Nachdenken über diese Handlungen eine gewisse Selbstzufriedenheit ge währen?

Eben der Damon treibt seine Sinnlichkeit so hoch, daß er seine Gesundheit schwächt und sich uns leidliche Schmerzen verursachet. Wird Er Ihnen nicht noch verächtlicher? Er geht in dem Genusse feiner finnlichen Ergözungen so weit, daß er die Kräfte feines Geistes schwächt und erstickt. Seine Familie,

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Familie, seine Freunde brauchen seiner Hülfe und feines Rathes. Aber er kann nicht denken; er ist zu trage zum Nachsinnen; er scheut die geringste Mühe, und bezeigt keine Neigung für das Glück der Seinigen. Er will ganz dem Geschmacke, der Trägheit und Weichlichkeit leben; er will bloß für sich da seyn. Nimmt Ihre Abneigung gegen diesen Menschen nicht zu? Wollten sie wohl an seiner Stelle seyn?

Dieser Damon, der seine Begierden nicht mehr ohne gewaltsame Mittel befriedigen kann, bricht seis nen Freunden das Wort, hintergeht sie durch List, leugnet ein anvertrautes Gut, beleidiget seinen Wohlthåter, und verråth sein Vaterland. Können Sie diesen Mann ohne Abscheu denken? Und was verachten und haffen Sie denn an ihm? Dieses, daß er ohne Regel und Ordnung, daß er nur für sich selbst lebt; daß er seine sinnlichen Begierden nicht einschränken will; daß er, um seine Wünsche zu ers füllen, Andre hülflos lassen, oder wohl gar unglücklich machen will.

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Aber was verursacht es, daß Sie die Handlungen dieses Damons verachten oder verab scheuen, je nachdem sie ihn auf den verschiednen Stufen seiner Lebensart als bloße Zuschauer betrachten ? Ist seine Lebensart nur Ihrer Selbstliebe und Ihrem eignen Vortheile zuwider? Aber er soll in einem fremden Lande, er soll in einem andern Welt, theile leben, oder lange vor Ihnen gestorben seyn! Ist bloß das Urtheil Ihres Verstandes die Ursache, daß sie die Aufführung dieses Mannes mißbilligen? Aber die Urtheile des Verstandes geben für sich allein Gellerts Schriften. VI.

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