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Fliehe vor der Arzney in gesunden Tagen. Alles, was über seine natürliche. Geschwindigkeit das Blut forttreibt, zu viel Uebung und Bewegung des Lebes, der öftere Trunk, starke gesalzene Speisen, dies ses treibt auch das Leben fort.

Leidenschaften.

Glaube

Und endlich, liebst du deine Gesundheit, dein Leben so fliehe den Aufruhr der Leidenschaften. Der Zorn, die Liebe, die Furcht, selbst die heftige Freude, das Feuer der Ehrbegierde, der Rache, des Neides, hat viele in Krankheiten und in das Grab gestürzet, die lange das Leben genießen sollten. nicht, was dir nicht unmittelbar schadet, was du bey den Kräften der Jugend nicht fühlest, werde dir nie schaden, werdest du niemals fühlen. Es giebt eine langsame und eine geschwinde Strafe; und oft beseufzet erst der Mann die Sorglosigkeit des Junglings zu spåt.

Fliche also die Unmäßigkeit der Tafel; den Trunk, den schrecklichen Feind der Tugend und des Lebens; fliehe den jugendlichen Leichtsinn und die Tollkühnheit; fliehe den schmeichlerischen aber tödt. lichen Feind, die Wollust, fliche ihn, Jüngling, und sey stark und gesund, und werde alt mit gutem Gewissen vor Gott und den Menschen!

Zwölfte Vorlesung.

Von den Fehlern, welche der vernünftigen Sorge für die Gesundheit des Leibes entgegen stehen; desgleichen von der Sorgfalt, einen festen und dauerhaften Körper zu erlangen.

3u wenig Gesundheitssorge.

Meine Herren, man kann bey der Pflicht ber

Gesundheit, von der wir in der lezten Vorlesung gesprochen haben, leicht zu wenig, oder auch zu viel thun. Lassen sie uns diesen zwiefachen Fehler noch in einem doppelten Gemälde betrachten, und zu unsrer eignen Belehrung anwenden.

Sejus, ein Gelehrter, den der Reiz der Wiss fenschaften bezaubert, vergråbt sich in seine Bücher und mag es nicht fühlen, daß er seine Kräfte durch ein angestrengtes Nachsinnen und den Mangel der

Erholung zu geschwind verzehret. Er iffet wenig und glaubt, durch die Mäßigkeit für seine Gesundheit hinlänglich zu forgen; aber er bringt keinen freyen Geist zu seinen Mahlzeiten. Sie sind keine Erholungen für ihn; er denkt, indem er an der Tafel figt, eben die gelehrten Zweifel, die er in seiner Studirstube dachte. Weiß Sejus nicht, daß die Anstrengung der Nerven die gesunde Verdauung hindert ; oder konnte er dieses nicht leicht wissen? Warum macht er bey Tische keinen Stillstand mit seiner sonst löblichen Wißbegierde? Sejus sorgt für seine Gesundheit durch Bewegung. Er erschüttert seinen Körper in der ersten Stunde nach der Mahlzeit; denn in dieser Stunde kann er am wenigsten arbeis ten. Er meynt es gut, und in der That liebt er feine Gesundheit zu wenig; denn er mag es nicht glauben, daß die Bewegung vier oder fünf Stunden nach der Mahlzeit der Gesundheit sehr zuträglich, und kurz darnach hingegen schädlich ist. Er flieht von seiner Holzfåge, oder von seiner Billardtafel warm zu feinen Büchern und studiret. Er wird heiter, wenn er ein warmes fremdes Getränke zu sich nimmt; er genießt es zwo oder drey Stunden nach einander, sich zu stärken, hålt genau über sein gewöhnliches Maaß und schmeichelt sich, daß er die Diät dabey beobachte und zu der Zeit für seine Ges fundheit forge, da er nur für seine Munterkeit sorgt. Er fest diese Lebensart viele Jahre fort und glaubt, weil er nicht so gleich davon krank wird, um desto mehr, daß er seiner Gesundheit schone. Und selbst diese seine so verkehrte Sorge für seine Gesundheit; was hat sie zur Absicht? Sorgt er darum für sie, weil sie ein göttliches Geschenk ist? Nein, sondern

weil sie ein Mittel ist, seine gelehrte Wollust_desto beffer zu befriedigen. Könnte Sejus bey kränklichem Körper noch tiefsinnigere Bücher der Welt zur Be» wunderung vorlegen: so würde er die Gesunheit wes nig achten. Er schläft sechs bis sieben Stunden, nachdem er bis zur Mitternacht seine Geister im Lesen erschöpft, und glaubt, seinen Schlaf der Ge= fundheit gemäß eingerichtet au haben, weil er wieder an seine Arbeit gehen kann. Aber warum glaubt er nicht, daß der Schlaf vor Mitternacht zutråglicher fey? Warum will er nicht über eine Gewohn heit durch Zwang siegen, da sie ohne Zwang nicht kann verbrånget werden? Doch er fühlt ja keine Beschwerungen; er kann früh wieder denken. Indessen verkündigen ihm die Blässe seines Gesichts, feine eingefallenen Schläfe, ein mattes Auge, eine zitternde Hand, die heimliche Abnahme seiner Kräfte; warum hört er diese Warnungen nicht? Könnte er feine Hige des Studirens nicht måßigen, oder giebt es keine richtigere Diåt? Der Arzt droht ihm Krankheiten. Sejus weiset ihn dadurch zurück, daß er für sein Amt arbeiten müsse; eigentlich aber arbeiter er für seinen Ehrgeiz. Indessen thut sich Sejus in einzelnen Fällen einige Gewalt an, und glaubt, daß er nunmehr besser für seine Gesundheit sorge. Er studiret des Tags eine Stunde weniger und will fich bey einem Glase Wein erholen. Er trinkt oder disputiret mit sich oder seinen Freunden. Er höret eine

Musik, und anstatt sie in seine Empfindungen eindringen zu lassen, denkt er metaphysisch an die Natur der Musik, oder an ihre Beschaffenheit bey den Alten. Er geht oder fährt spazieren, genießt weder das Vergnügen der Gesellschaft noch die Freuden

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Gegend; er ist mit seinem Geiste bey seinem Manuscripte, und füllt die Lücken aus; macht Verbeffe

rungen, oder entwirft einen neuen Plan. Sejus kömmt also von seinen Erholungen immer mit eben der Gemüthsverfassung zurück, die er bey seinen Bůchern gehabt. Kann er sich einbilden, daß er für feine Gesundheit sich bewegt habe? Seine überwie= gende Neigung nach Wissenschaft regiert ihn allenthalben, und seine Gesundheit wird, bey allem åus Berlichen Anscheine seiner Sorgfalt für sie, nicht stårker oder dauerhafter. Der Zwang, den er sich an= thut, ist eine verkleidete Begierde nach Wissenschaft; und die Arzeneyen, die er zu sich nimmt, giebt er sei= nem Körper, damit er seinen Ehrgeiz unterstüken, nicht, damit er ihn geschickt machen soll, der Welt nach dem göttlichen Befehle desto besser und långer zu dienen.

Sejus verwüstet durch seine Leidenschaft eines gelehrten Ehrgeizes heimlich seine Gesundheit. Er zittert vor jedem auch ungegründeten Tadel. Ein mißlungnes Lob tritt bey ihm ins Blut und stdret den Hunger bey der Mahlzeit. Man hat ihm Feh Ter in den Journalen vorgerückt, und ihn mit Bitterkeit, auch mit Unrecht getadelt. Schon bringt er die erste Nacht schlaflos zu, und sein Puls schlågt gleich dem Pulse des Fiebers. Und seine Unschuld zu retten, seget er sich am dritten Tage wieder und arbeitet mit solcher Hige an seiner Vertheidigung, daß er darüber in ein Fieber verfällt. Er glaubt, daß er seiner Gesundheit ohne seine Schuld gescha= det; und er konnte es doch wissen, daß er ihr scha den würde. Er glaubt, sein guter Name sey mehr als die Gesundheit; und es ist erst die Frage, ob sein Ruhm bey den Vernünftigen jemals durch dies

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