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Zehnte Vorlesung.

Allgemeine Mittel, zur Tugend zu gelangen und sie zu vermehren.

Wir

Neunte Regel.

Dir beschließen in dieser Stunde die Lehre von den allgemeinen Mitteln der Vernunft, zur Tugend zu gelangen, die wir zeither in gewissen Regeln vors getragen haben. Die lehte war von der Kraft der Beyspiele und dem Umgange mit rechtschaffenen Leuten hergenommen. Zu diesem Umgange rechne ich auch den Umgang mit guten Schriften für den Verstand und das Herz, in welchen Eins sicht und Beredsamkeit sich vereinigen, die Sache der Wahrheit und Tugend zu führen, und die Aufmerksamkeit des Lesers sich zu erwerben.

Ihnen, meine Herren, darf ich die Werke der Weisen des Alterthums, die Schriften eines Plato, Xenophon, Theophrast, Cebes, Epiktet, Antonin, die Schriften eines Cicero und Seneca nicht erst

empfehlen. Sie find von mehr als einer Seite schågbar, bald als ehrwürdige Ueberreste der gefunden Vernunft, bald als Beweise von der Schwäche der Vernunft, wenn sie von keiner Offenbarung unter ftüset wird. Der Eifer, Wahrheit und Tugend zu finden, von dem diese Werke oft zeugen; der Fleiß, die Beredsamkeit und die natürliche Güte des Herz zens, womit sie oft geschrieben sind, verdienen und belohnen die Aufmerksamkeit der Leser. Aber mitten unter den Bemühungen, uns weise und tugendhaft zu machen, können sie uns statt der Tugend leicht einen Stolz einflößen, der sich bloß mit dem Scheine der Tugend schmücket. Dieses gilt besonders von der stoischen Sittenlehre. Ihre prächtigen Sittensprüche blähen das kranke Herz auf, schmeicheln ihm mit einer Stärke, die es nicht hat, und überlassen es seiner natürlichen Ohnmacht.

Wir haben aus unsern Zeiten viel treffliche Sittenschriften, wo sich das Licht der Religion mit dem Lichte der Vernunft vereiniget, oder worinne die durch die Religion aufgeklärte Vernunft unterrichtet und rühret. Ich will einige derselben erwähnen, *)

*) Man wird also ein vollständiges Verzeichniß aller Schriften, die sich bey dieser Gelegenheit a führen ließen, hier um so viel weniger erwarten, da der= gleichen ohnedieß mit der Absicht des gegenwärti= gen Werkes nicht überein kommen würde. Aber vielleicht wundert man sich, daß man unter den genannten Schriften einige vermißt, deren Empfehlung man mit Rechte erwarten konnte, weil sie von bekannter Güte sind. Und auch das wird man sich nicht wundern lassen, viel weniger so aus

nicht, als ob ich glaubte, sie wären Ihnen ganz unbekannt, sondern um Ihre Achtung für diese

legen, als ob der selige Verfasser ihnen dadurch, daß er von ihnen geschwiegen, ihren Werth streitig machen wollen; wenn man nur daran gedenkt, daß diese Vorlesung schon seit geraumer Zeit aufgesehet ist. Manche moralische oder der Moral verwandte Schriften, die gleichfalls angepriesen zu werden verdienten, sind erst nachher im Drucke erschienen; und ob der selige Verfasser wohl zuweilen einige davon nachgetragen, so hieng er doch in seiner Arbeit allzusehr von dem krånklichen Zustande feines Körpers ab, als daß er solches immer und durchgängig hätte thun können. Indessen dürfen wir nicht unangezeigt lassen, was er einige Mos nate vor seinem Ende gegen einen seiner Freunde mündlich geäußert: daß er nämlich bey der Ausführung seines Entschlusses, diese moralischen Vorlesungen zum Druck in völligen Stand zu sehen, seinen Fleiß absonderlich an diese Vorlesung wen= ben, und so wohl dem Verzeichnisse der Schriften mehr Vollständigkeit geben, als auch die Urtheile darüber in dem und jenem noch genauer bestim men wolle. In seinem Manuscripte finden sich auch wirklich einige Spuren, daß er mit dieser Arbeit einen Anfang gemacht. Die Leser werden wünschen, daß er damit zu Ende gekommen seyn möchte; und wir wünschten es mit ihnen. Wem würde es nicht angenehm seyn, seine Urtheile durch die Urtheile eines Gellerts bestätigt zu sehen, oder sie mit denselben vergleichen zu können? Indessen geht der Güte und Brauchbarkeit der gegen= wärtigen Borlesung dadurch, daß er durch seinen

Werke durch meinen Beytritt zu bestärken, und Ihnen eine kleine und nicht kostbare moralische Bibliothek zu entwerfen und zu empfehlen.

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Mosheims Sittenlehre nach meiner Empfindung ein sehr schäßbares Werk; bey der Weisheit der Religion, zugleich voll gründlicher Weisheit der Vernunft und voll trefflicher Abhandlungen aus dem Reiche der Wissenschaften; und neben der Kennt niß des menschlichen Herzens, die darinnen herrschet, zugleich voll Beredsamkeit, die den Leser vergessen läßt, daß er fünf starke Bånde liest, und ihn am Ende fast unzufrieden macht, daß ihrer nicht mehr find; ein Werk des Genies und der Gelehrsamkeit, das Werk eines Mannes, der die Ehre unsers Jahrhunderts war, und den Jahrhunderte noch nügen und bewundern werden, von deffen Namen vielleicht unfre Nachkommen, wenn sie das Zeitalter des guten Geschmacks in der deutschen Beredsamkeit bestimmen

Tod verhindert worden, seinen Vorsag ganz auszuführen, nichts ab, als etwan ein kleiner Grad mehrerer Vollkommenheit. Zu einer brauchbaren und nicht sehr zahlreichen moralischen Bibliothek, die der selige Verfasser hier hat entwerfen wollen, wird nicht erfordert, daß alle gute Schriften, oder doch alle vorzüglich gute Schriften dieser Art namhaft gemacht werden; sondern nur dieß, daß eine hinlängliche Anzahl derselben vorgeschlagen werde, und daß unter den vorgeschlagenen keine sich finde, die nicht gut und zu der Absicht, zu welcher sie empfohlen wird, besonders brauchbar sey.

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Anmerk. der Herausg.

wollen, es das Mosheimische nennen werden; so wie man die schönste Periode der griechischen Philosophie die Sokratische zu nennen pflegt. Ich ermuntre insonderheit diejenigen von Ihnen, die sich der Kanzel widmen, die Moral dieses Mannes achtsam zu lesen und sich auch wohl Auszüge daraus zu machen. Ja ich bitte Sie instånd!g, es künftig in Ihren Uemtern noch zu thun, und mit seinen Einsichten, seiner Gelehrsamkeit, feinen gründlichen Schriftforschungen, feiner Kenntniß des Menschen und seiner Beredsam keit und Anmuth Ihre Einsicht und Beredsamkeit zu nåhren. Der felige Gesner nennt dieses Werk mit Recht einen Schaß für geistliche Redner. Wer es mit desto größerm Nugen lesen will, der mache sich zuerst den summarischen Auszug des Herrn Doctor Millers wohl bekannt.

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Baumgartens und Crufius SittenLehre obgleich beiße Werke nur in der Sprache der Katheder, die oft noch mündliche Erklärun= gen vorausseßet, abgefaßt sind, und nicht eigentlich in unser Verzeichniß gehören: so haben sie doch zu viele Verdienste der Gründlichkeit, Vollständigkeit und der Güte des Herzens, als daß ich sie unema pfohlen übergehen könnte. Sie werden insonderheit denen nügen, die Andre wieder von den Pflichten der Vernunft und Religion unterrichten wollen.

Hutchesons und Fordyce Sittens lehre der Vernunft. Diese beiden Engländer erklären und vertheidigen die Rechte der Tugend, die Anforderung des Gewissens und der Vernunft, in einer sehr faßlichen Methode. Sie führen überall den Menschen zur Liebe der allgemeinen Vollkom=

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