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,,Er sprachs mit Mühe aus und starb bald darauf." Wenn ein Jüngling diese Nachricht liest, sollte sie nicht den Wunsch in seinem Herzen erwecken, auch einst so glückselig und lehrreich zu sterben, und tåglich so zu leben, damit er einst auf diese Art sterben könne? Lassen Sie diese Erzählung einen tiefen Eindruck auf Ihr Herz machen, theuerste Commilitonen. In diesem Frieden sterben können, das ist die wahre Hoheit des Menschen und Christen, das ist Ruhm und Seligkeit. *)

*) Diese Ermahnung wird auf die Leser einen um so viel tiefern Eindruck machen, wenn wir sie versichern, daß der selige Verfasser die Wahrheit seines Ausspruchs in seinem so erbaulichen Tode durch fein eignes Exempel bestätiget hat.

Anmerk der Herausg.

Neunte Vorlesung.

Allgemeine Mittel, zur Tugend zu gelangen und sie zu vermehren.

Sechste, siebente und achte Regel.

Die

Vie Leidenschaften oder Affecten sind ein måchtis ges Hinderniß der Weisheit und Tugend. Sie ents stehen von der natürlichen Begierde nach Glückselig keit. Sie werden durch die Sinne, durch die Eins bildungskraft, durch innerliche angenehme Empfin= dungen, durch falsche Vorstellungen eines moralischen Werths oder Unwerths, den wir mit den Gegen Wer stånden verknüpfen, erregt und unterhalten. kann daraus nicht die Regel ziehen, die uns alle Sittenlehrer anpreisen :

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daß man den Eindrücken der Sinne, den Blendwerken der Einbildungskraft wehren, seine Neigungen, wenn sie an

und für sich erlaubt sind, mäßigen, die unerlaubten sogleich zurück halten, und den unrichtigen Vorstellungen, die den Affecten das Leben geben, durch Vers stand begegnen muß.

Jeder kennt die übeln Folgen der heftigen Leis denschaften. Er sieht und fühlt, daß sie den Verstand blenden, den Willen zum Sklaven machen, daß sie durch die Befriedigung beynahe unbezwinglich werden, daß sie dem Leben und der Gesundheit, der Ehre, dem gemeinen Wesen und der Glückseligkeit der Andern schaden; und doch bringen es nur Wenige durch diese Bewegungsgründe dahin, sich von ihnen loszureißen. Ein sichrer Beweis, daß unsre Natur ein allgemeines Verderben müsse erlitten haben, weil die ordentlichen Mittel, sie zu bessern,. so wenig ausrichten.

Die Hauptursachen, warum wir zu heftig bes gehren oder verabscheuen, sind die Sinnlichkeit, die Gewalt der Einbildungskraft und die Verknüpfung gewisser Nebenbegriffe von Vortrefflichkeit und mora= lischer Güte, die wir den Gegenständen der Sinne und der Einbildungskraft unvermerkt beylegen.

Die erste dieser Ursachen ist die Sinnlich keit, oder der starke Eindruck, den die gegenwärtigen Gegenstände auf unsre Empfindung haben. Wir sind in den ersten Jahren unsers Lebens bey= nahe nichts, als Sinn. So lange unsre Vernunft noch nicht erwacht, vertritt die Empfindung die Stelle der Vernunft; und wenn sich diese regt, hat jene schon bey den Meisten ihre Herrschaft aufgerichtet.

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In der Minderjährigkeit des Verstandes, da diejenigen, die für unsre Erziehung zu sorgen haben, unfre Begierden bilden und uns gewöhnen sollten, må fig und richtig zu empfinden, uns vornehmlich solche Gegenstände zeigen sollten, von denen wir einen edlen Eindruck annehmen könnten, werden wir vielmehr den Sinnen und ihrer Gewalt überliefert. Die Beyspiele unterrichten uns stillschweigend, werden die Philosophie unsrer Begierden, und stecken uns mit vielen falschen Begriffen des Vergnügens und Mißvergnügens an. Also verstreichen unsre ersten Jahre. Nunmehr wird es uns schwer, Sachen des Verstandes zu denken, da wir so lange nichts als die Ges genstände der Sinne gedacht und empfunden haben. Wir können unsrer Vernunft schwerlich gebieten, wenn wir ihr gebieten sollten. Wir wissen die Güte unsrer Empfindungen nicht anders zu bestimmen, als nach dem angenehmen oder widrigen Eindrucke, den die Sinne erreget haben; und anges nehme Empfindungen scheinen uns allein gute zu seyn. Alle Begierden wachsen dadurch, daß sie oft befriediget worden; und so wächst die Gewalt der Sinnlichkeit; das Nachdenken wird uns beschwerlich; und wir urtheilen von dem Werthe oder Unwerthe einer Sache nach dem Auge, dem Ohre, dem Gefühle.

Was ist das System unsrer ersten Jahre? Was hält der unausgebildete Jüngling für gut, für edel, für nicht gut, für schädlich? Wie urtheilet er? nach der Vernunft?

Die traurige Vernunft! Wie könnte die erfreun?
Die Weisheit, die er kennt, ist Lårm und Spiel und

Wir wollen, jauchzet er, die Zeiten froh gebrauchen,
Und lassen ohne Luft die Geißter nicht verrauchen.
Mit Rosen, die der May den Jünglingen erlaubt,
Und Greisen nur versagt, bekränzen wir das Haupt.
Der Alten spotten wir, und spotten ihrer Lehren ;
Philosophirten sie, wenn sie so alt nicht wären?

Und wie urtheilet der Mann? Was sind seine Wünsche; und welches sind die Güter, die er für suchenswerth hålt, und nach denen er so ångstlich und arbeitsam ringet? Sind es nicht Reichthümer und Bequemlichkeiten, Pracht und Ansehen, Ehre und Würden?

Die Gewalt der Einbildungskraft wird ́ebenfalls ein großes Hinderniß der Weisheit und Tugend. Unfre angenehmen oder unangenehmen Empfindungen werden in der Einbildungskraft aufbewah. ret; und so oft uns die Sache oder ein Theil und Umstand derselben einfällt, erneuert auch die Einbil, dung das dabey genoßne Vergnügen oder Mißvergnügen. Wir erblicken in der Natur, oder in Gedanken, einen Ort, wo wir Freude oder Verdruß gefühlet; und schon fållt uns beides mit seinen Urfachen und Folgen ein, und das Verlangen darnach, oder die Abneigung, wacht plöglich in uns auf. Diese Bilder der Einbildungskraft find gemeiniglich) nicht die getreusten; daher sind auch die Empfindungen, welche durch sie erwecket werden, ihnen an Untreue ähnlich. Wir vergrößern in der Einbildung den Reiz eines Gegenstandes, der uns angenehm gerührt hat, und vermindern seine Mängel. Wir vergrößern unvermerkt das Beschwerliche an einer Sache, die uns unangenehm war, und vermindern das Gute, das sie bey sich hatte oder haben konnte.

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