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Vorstellungen und unruhigen Begierden, in einer feyerlichen Anrede an den Unendlichen, der alles weiß, der auf unser Herz merkt, der von keinem Scheine geblendet, von keinem leeren Tone bewegt wird; sich so prüfen, dieses muß mehr Aufrichtigkeit bey der Prüfung, mehr Selbsterkenntniß, m.hr Reue über seine Fehler wirken. Diese Prüfung stärkt unfre Demuth, und befestiget unsre heilsamen Ent. schließungen, zu gehorchen. Ist das Gebet also nicht ein Glück für uns ?

Wer sich der Pflicht zu beten schåmet,

Der schämt sich, Gottes Freund zu seyn.

Wer kann mit Wahrheit beten, ohne zugleich das Bild der göttlichen Vollkommenheiten in seinem Geiste zu erneuern? Und wird die Vorstellung seis ner Güte, Weisheit, Heiligkeit und Allmacht, die wir in dem Gebete fo feyerlich, und einzig mit Gott beschäftiget, unternehmen, nicht tiefer in uns fern Geist eindringen, als das allgemeine Andenken an Gott? Werden diese Betrachtungen, die das Gebet theils voraus sehet, theils zugleich in sich schließt, nicht die Empfindungen der Ehrfurcht und Liebe, der Dankbarkeit und des Vertrauens zu Gott erwecken, beleben und stärken? Und diese Empfin. dungen, sind sie nicht die höchste Tugend und die Quellen alles Gehorsams? Das Gebet ist also ein Segen für unsre Tugend, und erwärmt, gleich der Sonne, den guten Saamen in unserm Herzen. Wie können wir ferner um die Gnade und Liebe des allmächtigen Vaters bitten, und doch den Vorsat behalten, das zu unterlassen, was uns dieser Gnade würdig machen kann? Können endlich Menschen,

die vor Gott ihre Unwürdigkeit, ihr Unvermögen, ihre Fehler täglich bekennen, und bereuen, und die Vergebung derselben suchen, sich noch immer vom Stolze beherrschen lassen, noch immer ohne Demuth bleiben, und ohne Liebe gegen die Glieder der Fas milie des Gottes, den sie als den gemeinschaftlichen Vater und Wohlthäter anbeten?

Der Spitfindige wende noch so viel wider die Nothwendigkeit des Gebetes ein. Die einfaltigste Vernunft erkennet es, durch die Religion aufgeklärt, als ein heilsames und nothwendiges Mittel, zur Tugend zu gelangen, und in derselben zu wachsen. Ja, theuerste Freunde, so lange wir aufrichtig diese Pflicht ausüben, so lange können wir von unsrer Tugend viel Gutes hoffen, und von Gott alles. Je mehr der Ekel gegen das Gebet wächst, desto nåher sind wir dem Laster. Wir fühlen uns bereits, und scheuen uns vor den Augen deffen, der das Unrecht verbeut. Wir wünschen heimlich, er möchte uns nicht bemerken, und entzichen uns kindisch seinen Blicken, als sähe er uns nicht, wenn wir uns mit unserm Geiste und Gebete nicht mehr zu ihm nahen. Auch ein halbes Gebet, wenn ich so reden darf, wird selten ein Herz ganz von der Tugend fallen lassen. Ich berufe mich, statt aller Beweise, getrost auf unsere Erfahrung. Welche Tage haben wir am leichtsinnigsten, am eitelsten und strafbar= sten, und welche am bedachtsamsten und nüşlichsten zugebracht? Diefe, da wir früh, oder in andern stillen Augenblicken, an Gott unfern Schöpfer und Vater, im Gebete mit tiefster Unterwerfung dachten, uns unsere Pflichten lebendig vorstellten, ihm unsern Eifer wörtlich gelobten, ihn zum Zeugen unsrer auf

richtigen Gesinnungen anriefen, um seinen mächtigen Beystand demüthig und zuversichtlich baten? Oder jene, da wir diese Pflicht ganz unterließen ?

Ich weiß es, Sie kennen diese Regeln der wahren Weisheit vielleicht so gut, als ich; fie liegen alle in dem Gebiete der Vernunft und der Religion vor unfern Augen entdeckt; und sie zu sehen, ist nicht schwer. Aber sie auszuüben, Theuerste Freunde,. das ist die höchste Weisheit; und eben zu dieser Ausübung will ich Sie gern ermuntern und leiten, und mich des Vertrauens bedienen und würdig ma» chen, das Sie in mich sehen. Verfahren Sie tågs lich nach den Regeln, die ich Ihnen ist und zeither vorgetragen habe, und Sie werden es empfinden, wie heilsam sie in sich sind. Ich kenne die Wenig sten unter Ihnen; und ich sehe Sie vielleicht in wenig Jahren alle nicht mehr, und alsdann wohl niemals in diesem Leben wieder. Aber sie gehören doch alle mit mir zu der großen Familie Gottes, deren Glück mir werth seyn, und um das ich mich auf alle Art verdient machen soll. Möchte ich doch diese Pflicht in dieser Stunde mit Absicht und Nachdruck erfüllt und der Tugend auch nur Einen frühen Verehrer gewonnen, oder ihr einen näher zugeführet haben; wie glücklich wollte ich mich preisen! Diese einzige That, wäre sie nicht schon eines ganzen Lebens werth? Ja, ich, Theuerste Jünglinge, ich trete menschlichem Unsehen nach bald, und viel eher von dem Schauplage dieses Lebens ab, als Sie; allein in wenig Jahren, (denn was sind dreyßig und fünfzig flüchtige Jahre?) vereiniget uns alle die Ewigkeit wieder. Da wird es für uns erwies sen seyn, wie glücklich der ist, der es sich früh ges wagt

wagt hat, mit Gott tugendhaft zu seyn, oder es zu werden, wenn er es noch nicht war. Da dankt mir vielleicht Einer unter Ihnen, so wie ich dem Freunde danken werde, der mich den Weg der Weisheit geleitet;

Da ruft, o mochte Gott es geben!
Auch mir vielleicht ein Jüngling zu:
Heil sey dir, denn du hast mein Leben,
Die Seele mir gerettet, du!

D Gott, wie muß das Glück erfreün,
Der Retter einer Seele seyn! :..

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Achte Vorlesung.

Allgemeine Mittel, zur Tugend zu gelangen und sie zu vermehren.

Fünfte Regel

Je weniger wir, meine Herren, diese Welt, uns

selbst und andre Menschen kennen, desto mehr steht unser Verstand in Gefahr, mit Irrthümern und Vorurtheilen erfüllt zu werden, und desto mehr ist unser Herz den Neigungen und Leidenschaften unterworfen, die der Weisheit und Tugend sich widersegen und uns unvermerkt auf die Bahn des Leicht» finns und des Lasters leiten. Daraus folgt die noth wendige Regel:

Fünfte Regel.

Bemühe dich früh, von deinen ers ften Jahren an, die Welt, die Mens fchen und dich selbst kennen und im» mer genauer kennen zu lernen.

Viele verleben oft, unter immerwährenden Zers Streuungen, die Hälfte ihrer Jahre, ohne mit Ernst

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