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führten Kunstrichters in den Literaturbriefen *): "Ich habe, sagt er, den geschäftigen Müssiggånger des Hrn. Schlegel gelesen. Die Charaktere schienen mir vollkommen nach dent Leben; solche Müssiggånger, solche in ihre Kinder vernarrte Mütter, solche schalwißige Besuche, und solche dumme Pelzs håndler, sehen wir alle Tage. So denkt, so lebt, so hans delt der Mittelstand unter den Deutschen. Der Dichter hat seine Pflicht gethan; er hat uns geschildert, wie wir sind Allein ich gähnte vor Langerweile **). Den Geheimz

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*) Th. XXI, S. 132 ff. Die Recension ist von Moses Meng delsfohn; und Lessing, der dessen Urtheil in seiner Dramaş turgie, St. 52, auszieht, und unterschreibt, sezt am Ende hinzu: „Ich freue mich, daß die beste deutsche Komödie dem richtigsten deutschen Beurtheiler in die Hände gefallen ist. „Und doch war es vielleicht die erste Komödie, die dieser „Mann beurtheilte.*

**) Lessing urtheilt am angef. Orte von dem geschäftigen Müs figgånger, daß er das kältefte, langweiligfke Altagsgewäsche enthalte, das nur immer in dem Hause eines Meißnischen Pelahandlers vorfallen tann. Der Geheimnißvolle, sagt er, ist um vieles besser; ob es gleich der Geheimnißvolle gar nicht geworden, den Moliere in der Stelle (Mifanthrope, Act. 11. Sc. 4.) geschildert hat, aus welcher Schlegel den Anlaß zu diesem Stücke wollte genommen haben. Moliere's Ges heimnisvoller ist ein Geck, der sich ein wichtiges Ansehen ges ben will; Schlegels Geheimnißvoller aber ein gutes ehrliches Schaf, das den Fuchs spielen will, um von den Wölfen nicht gefreffen zu werden. Der Triumph der guten Frauen hingegen hat überall, wo er nur aufgeführt worden, einen sehr vorzüglichen Beifall erhalten; und daß sich dieser Beifall auf wahre Schönheiten gründen müsse, daß er nicht das Werk einer überraschenden, blendenden Borstellung sey, ist daher klar, weil ihn noch Niemand, nach Lesung des Stücks, zurück genommen. Wer es zuerst gelesen, dem gefällt es um so viel mehr, wenn er es spielen sicht; und wer es zuerst spielen ges sehen, dem gefällt es um so viel mehr, wenn er es lieset.

Auch

nißvollen überschlug ich, und las den Triumph der guten Frauen. Welcher Unterschied! Hier finde ich Leben in den Charakteren, Feuer in ihren Handlungen, ächten Wig in thren Gesprächen, und den Ton einer feinen Lebensart in threm ganzen Umgange. Das Stück gefiel mir so sehr, daß ich es mehr als Einmal durchlesen musste. Mit einigem Widerwillen merkte ich zuleßt, daß diese Charaktere: nicht deutsch sind. Tikander ist ein französischer Abentheurer, der auf Eroberungen ausgeht, allen Frauenzimmern nachs stellt, keinem im Ernst gewogen ist, alle ruhige Ehen in Uns einigkeit zu stürzen, aller Frauen Verführer und aller Måns ner Schrecken zu werden sucht, und der bei allem diesem kein schlechtes Herz hat. Das herrschende Verderbniß der Sitten und Grundsäge scheint ihn mit fortgerissen zu haben. Gotts Job! daß ein Deutscher, der so leben will, das verderbteste Herz von der Welt haben muß. — Hilaria, des Likanders Frau, die er vier Wochen nach der Hochzeit verlassen, und nunmehr in zehn Jahren nicht gesehen hat, kommt auf den Einfall ihn aufzusuchen. Sie kleidet sich als eine Mannss person, und folgt ihm, unter dem Namen Philinte, in alle Häuser nach, wo er Abentheuer suchte. Philinte ist wißis ger, flatterhafter und unverschämter, als Tikander. Das Frauenzimmer ist dem Philinte mehr gewogen; und so bald er mit seinem frechen, aber doch artigen Wesen sich sehen lässt, steht Nikander da, wie verstummt. Dieses giebt Ges legenheit zu sehr lebhaften Situationen. Die Erfindung ist artig, der zwiefache Charakter wohl gezeichnet, und glücklich mit in Bewegung geseßt; aber das Original zu diesem Pes titmaitre ist gewiß kein Deutscher. Mas mir an diesem Lustspiele mißfållt, ist der Charakter des Agenor.

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Den Triumph

Auch haben es die ftrengsten Kunstrichter eben so sehr seinen übrigen Luftspielen, als diese überhaupt dem gewöhnlichen Braffe deutscher Komödien vorgezogen.

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Triumph der guten Frauen vollkommen zu machen, zeigt dieser Agenor den Ehemann von einer gar zu häßlichen Seite. Er tyrannifirt seine unschuldige Juliane auf das unwürdigste, und hat recht seine Luft, sie zu quålen. Gråmlich, so oft er sich sehen lässt, spdttisch bei den Thrånen seiner getrånts ten Juliane, argwöhnisch bei ihren Liebkosungen, boshaft genug, ihre unschuldigsten Reden und Handlungen durch eine falsche Wendung zu ihrem Nachtheil auszulegen, eifers süchtig, hart, unempfindlich, und, wie man sich leicht eins bilden kann, in seiner Frauen Kammermädchen verliebt. Ein solcher Mensch ist gar zu verderbt, als daß wir ihm eine schleunige Besserung zutrauen könnten. Der Dichter giebt ihm eine Nebenrolle, in welcher sich die Falten seines nichtss würdigen Herzens nicht genug entwickeln können. Er tobt; und weder Juliane noch die Leser wissen recht, was er will.

Eben so wenig hat der Dichter Raum gehabt, seine Besserung gehörig vorzubereiten, und zu veranstalten. Er musste sich begnügen, dieses gleichsam im Vorbeigehen zu thun, weil die Haupthandlung mit Likander und Philinten zu schaffen hatte. Kathrine, dieses edelmüthige Kammermädchen der Juliane, das Agenor verfolgt hatte, sagt gar recht am Ende des Lustspiels: die geschwindesten Bes tehrungen sind nicht allemal die aufrichtigsten.,,Wenigstens so lange dieses Mädchen im Hause ist, möchte ich nicht für die Aufrichtigkeit stehen.“

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Hier will ich nur die Entdeckungsscene, die leßte des ganzen Stücks, zur Probe mittheilen. Agenor, der die zärtliche Unterredung des vermeinten Philinte mit Julianen behorcht hat, stürzt mit dem bloßen Degen in der Hand hers vor.,,Erstechen Sie mich nur, ruft Philinte, erstechen Sie mich, wenn es Ihnen Ehrè macht, ein Frauenzimmer zu erstechen." Kathrine und Agenor rufen voll Verwundrung; ,,Ein Frauenzimmer? ein Frauenzimmer ? “

Vikander. Was giebt es? was ist das hier für

Larmen?

Philinte. Hier kommt gleich Jemand, der am besten wissen kann, von was für einem Geschlechte ich bin. Koms men Sie, Nikander, sagen Sie diesen Leuten, ob es nicht wahr ist, daß ich ein Frauenzimmer bin.

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Tikander. Ein Frauenzimmer! Ja, ich weiß es am besten. Ein Frauenzimmer, das alle Frauenzimmer in der Sanzen Stadt für sich allein haben will.

Agenor. Willst du, Verråther, mich durch einen so Jäppischen Vorwand hintergehen?

Frikander. Halt, Agenor.

Philinte. Nur Geduld! der Beweis ist leicht. Nikani der, haben Sie die Briefschaften, die ich Sie bat, von meinem Kaufmanne abzuholen?

sutis. XTikander. Sie? wie? Sie hätten mich darum gebes ten? Sie wollen sagen, Ihre Schwester.

Philinte. Ich oder meine Schwester, das ist gleich viel. Ich bin selber meine Schwester.

Vikander, Ists möglich?

Philinte. Haben Sie die Briefschaften?'

Tikander. Hier sind sie.

Philinte. Wollen Sie sie eröffnen, so werden Sie

Daraus ersehen, und sagen können, wer ich bin.

Sie muß sterben, nur dar

-

ist. Wie? ein Frauens

Kathrine. Nun! warum stecken Sie die Hånde, in die Tasche? wollen Sie nicht todtstechen, Herr Agenor? Geben Sie mir Ihren Degen. um, weil fte ein Frauenzimmer *zimmer will meinen Herrn wenn es noch eine Mannss person wåre! Ein Frauenzimmer soll sich unterstehn, meiner Frau von Liebe vorzusagen? Wenn die arme Frau sich nun Håtte bereden lassen, wie grausam wåre sie nicht betrogen worden! Nein, das schreit um Rache! Weg, weg! aus dem Wege! fie muß sterben.

"

Pbilinte

Philinte. Nun! hör auf mit deinen Possen, Kathrine. Sehen Sie nun bald aus diesen Papieren, wer ich bin, Nikander? Wird man mich bald für ein Frauenzimmer erteunen?

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Tikander. Hilaria! Himmel, Hilaria! — Ists mögi lich? Sind Sie es, die mir heute so viel Freundschaft erwiesen haben? Sie haben meine Beleidigungen mit so viel Güte belohnt! Sie haben sich meinetwegen so viel Mühe gegeben! Sie können einen Mann, der Sie verlass sen hat, nach zehn Jahren noch lieben! So viel habe ich nicht verdient!

Philinte. Sagen Sie das nicht. Ich habe Gelegens heit gehabt, unter dieser Verkleidung Ihr Herz zu kennen. Ich urtheile nicht so partheiisch, daß ich Sie darum nicht liebenswürdig finde, weil Sie mich nicht lieben.

Tikander. Ja, ich liebe Sie, Hilaria. Und ich bedaure die Zeit, da ich Sie nicht geliebt habe. Alles, was ich Ihnen vorhin gesagt habe, da ich Sie nicht kannte, habe ich Ihnen von Herzen gesagt. (auf den Knien) Aber können Sie mir meine Ausschweisungen verzeihen?

Philinte. Hundert Liebesausschweifungen verdienen

eher Verzeihung, als eine einzige Tyrannei. Agenor. Wie soll ich das begreifen? Nikander. Das ist meine Frau, Agenor.

Agenor. Das ist eine außerordentliche Verwandlung. Philinte. Wissen Sie, Herr Agenor, daß Sie mir viel Dank schuldig find? Ohne mich würde Ihr übles Bezeis gen und meines Mannes Liebe gegen Julianen Ihnen leichts lich einen Streich gespielt haben, den man mit dem Degen in der Faust zwar råchen, aber nicht wieder gut machen kann Nehmen Sie sich künftig besser in Acht! Ihr hartes Verfah's ren ist für Sie selber sehr gefährlich. Eine Tugend mag so fest seyn, als sie will, fie muß endlich weichen, wenn sie zugleich von Liebe und von Kummer befiritten wird. Dies

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