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hunderts beschäftigten sich selbst große Herren mit Verfertis gung der Schauspiele, dergleichen man zwei vom Herzog Julius zu Braunschweig hat. Viele satirische Stücke, bes sonders wider den Pabst und die Geistlichkeit, erschienen da, mals ohne Namen ihrer Verfasser. Gottsched hat zwar, in seinem Nöthigen Vorrathe zur dramatischen Dichtkunst der Deutschen unter diesem alten Wuste schon ziemlich aufges räumt; er verdiente indeß noch immer die fortgeseßte Geduld eines kritischen Forschers; und überhaupt wäre ein deutsches dramatisches Wörterbuch, dergleichen die Italiåner in der Drammaturgia des Leone Allacci und Apostolo Zeno, die Franzosen in ihrem Dictionnaire des Théatres, und die Engs länder in dem Companion to the Playhouse befißen, gewiß kein unerheblicher Beitrag zur Geschichte unsrer poetischen Literatur. In der ersten Hälfte des siebenzehnten Jahrs hunderts schien die deutsche dramatische Poesie eine günstigere Wendung zu nehmen, und Opitz erwarb sich auch von dieser Seite um die Verbesserung unster Dichtkunst kein geringes, obgleich wenig erkanntes und wenig fruchtendes, Verdienst. Seine Daphne und Judith sind als die ersten wahren deuts schen Singspiele noch immer merkwürdig; und seine Uebers seßung des Trauerspiels Antigone vom Sophokles verdient nicht weniger Aufmerksamkeit. So gehört auch Andreas Gryphius zu denen Dichtern, die zur Verbesserung unsrer Schauspiele mitwirkten. Aber der lohensteinische schwüls stige, und nachher der weisische wässrige Geschmack zerförten gar bald wieder alles Gute, was jene Bemühungen hat. ten bewirken können; und der immer herrschender werdende Operngeschmack trug gleichfalls dazu nicht wenig bei. In eben diesem Jahrhunderte entstanden die ersten förmlichen Schauspielergesellschaften in Deutschland, unter welchen man die Treuische als die erste anzuführen pflegt, deren Geschichte aber weiter zu verfolgen hier der Ort nicht ist. Höchst unbes deutend und geschmacklos war der Zustand des deutschen Theas

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ters zu Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts; und man kann Gottsched's Verdienste um die Verbesserung desselben nicht verkennen, obgleich man die Epoche des gereinigten dramatischen Geschmacks in Deutschland mit seiner feierlis chen. Verbannung des Harlekins von der Bühne, im J. 1737, zu früh anheben würde. Was ihm noch immer vors züglich zum Ruhme gereicht, ist wohl mehr, daß er die Deuts schen auf die besten Muster des Alterthums und des Auss landes, vornehmlich Frankreichs, aufmerksamer machte, und sie zur Nachahmung dieser Muster ermunterte. Freilich aber bedurfte es besserer Köpfe, als die eigentlichen Gottschedischen Schüler waren, um das Studium dieser Muster zweckmäßig und mit eigner, originaler Geisteskraft zu benußen. Es bedurfte erst noch der Wegråumung mancher einseitiger Vorurtheile, es bedurfte der aus dergleichen Vorurtheile, und aus Mangel hinlänglicher Sprachkunde, zu sehr vors enthaltenen Kenntniß der englichen Bühne und ihrer vorzüg lichsten Dichter, um dem deutschen dramatischen Geschmacke keinen durchaus französischen Anstrich und Zuschnitt zu ger ben. Hiedurch geschah es, daß unsre dramatische Poesie und Schauspielkunst seit der Mitte des gegenwärtigen Jahrs hunderts so merkliche und so rühmliche Fortschritte that, die jedoch von dem Ziele der Vollkommenheit, welches die bessern Ausländer erreichen, noch ziemlich weit zurück bleiben. Der Vorwurf, den uns diese so oft machen, daß die deutschen Schauspieldichter und Schauspieler zu wenig Originalitåt haben, ist nur allzu gegründet, und trifft die Gattung des Lustspiels gewiß am meisten. Schwerlich dürfen wir auch diesen Vorzug fo bald zu erreichen hoffen; wenn er anders uns Deutschen überall erreichbar ist.,,Ueber den gutherzis gen Einfall, sagt Lessing *), den Deutschen ein Llationals theater zu verschaffen, da wir Deutschen noch teine Tation 23

*) Hamburg. Dramaturgie, St. II.

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find! Ich rede nicht von der politischen Verfassung, sondern bloß von dem sittlichen Charakter. Fast sollte man sagen, dieser sey: teinen eignen haben zu wollen. Wir sind noch immer die geschwornen Nachahmer alles Ausländischen, bes sonders noch immer die unterthänigen Bewunderer der nie genug bewunderten Franzosen; alles, was uns von jenseit des Rheins kommt, ist schön, reizend, allerliebst, göttlich; lieber verleugnen wir Gesicht und Gehör, als daß wir es anders finden sollten; lieber wollen wir Plumpheit für Uns gezwungenheit, Frechheit für Grazie, Grimasse für Auss druck, ein Geklingel von Reimen für Poesie, Geheul für Musik, uns einreden lassen, als im Geringsten an der Sus perioritat zweifeln, welche dieses liebenswürdige Volk, dies ses erste Volk in der Welt, wie es sich selbst sehr bescheiden zu nennen pflegt, in Allem, was gut und schön und erhas ben und anständig ist, von dem gerechten Schicksale zu seis nem Antheil erhalten hat." Wenn dieß seit fünf und zwanzig Jahren weniger der Fall geworden ist, wenn der Deutsche seitdem, wie wohl nicht zu leugnen steht, mehr Ges fühl für seine eigne Würde und für das Allgemeingute in Sitten und Denkungsart erhalten hat; so bleiben doch der Hindernisse noch genug, die der Originalitåt unsrer komischen Darstellung im Wege stehen. Ueberhaupt kommt, nach der gegründeten Bemerkung eines scharfsinnigen Kunstrichters *), bei einer Nation, die sich bildet, das tragische Genie natürs licherweise weit eher zur Reife, als das komische. „Zum Tragischen braucht die Nation weder Sitten noch Lebensart zu haben. Die handelnden Personen find Helden, die bet der rohesten Nation einige Begriffe von der Anständigkett in den Sitten besigen, aber noch nicht so sehr an diesen Begrifs fen gekünftelt haben, daß sie aus Wohlstand ihre Leidens schaften hätten verbergen gelernt. Dieses ist die glücklichste Situas

*) Briefe, die neueste Literatur betreffend, Th. XXI, S. 129.

Situation für das Trauerspiel, das, eigentlich zu reden, kein Gemählde der Sitten aufstellen, sondern Leidenschaften erregen soll. Das Lustspiel hingegen, dem keine so mächtige Triebfedern, als die Leidenschaften find, zu Dienste stehen, muß Wohl- und Uebelstand in einen Kontrast bringen, die Triebe eines wohl erzogenen Mannes mit der feinern Lebenss art in Konflikt kommen lassen, um das edle Komische zu ers halten, das auch den Weisen vergnügt; denn von dem Poss senhaften ist hier die Rede nicht. Die Komödie ist weit mehr Nachahmung, mehr Portråt, als das Trauerspiel; daher fie fich auch weigert, in unbekannte Derter oder Zeiten vers legt zu werden, wie das Trauerspiel. Die Zuschauer müss sen mir den handelnden Persønen vom Anständigen ähnliche Begriffe haben, und alle ihre Verbindungen und Verhålts nisse kennen, wenn sie ihre bürgerlichen Handlungen aus dem gehörigen Augenpunkte betrachten, und das Lächerliche derselben fassen sollen. Der Dichter selbst muß die Urbilder vor Augen haben, muß den feinsten Umgang genießen, muß den ausgebildetesten, üppigsten Theil der Nation kennen lernen, um seinen Unterredungen Leben und Bewegung, und seinen komischen Situationen Salz zu geben.“ →→→→ ,,Ich weiß nicht, fährt dieser Kunstrichter fort, ob wir Deutschen noch nicht reif genug zum Komischen sind. So viel merke ich, daß uns die Dichter allezeit fremde Sitten leihen, wenn sie im Komischen glücklich seyn wollen. Man macht uns so flatterhaft, so frech, so scheinverliebt, als die französischen Marquis, oder so offenherzig und so launisch, als man die Engländer vorzustellen pflegt. Unfre Charaktere sind der Komödie zu ruhig, zu kaltvernünftig; unsre Lebensart zu einförmig und standesmåßig; unser Umgang zu steif, und unsre gewöhnlichen Gespräche zu leer und zu wißlos. Wir find mehr langweilig als lächerlich." Gern geb' ich zu, daß sich auch hierin in den beiden leßten Jahrzehnden vieles verändert hat. Der deutsche Charakter scheint in demselben

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wirklich mehr Hervorstechendes, mehr Energie im Ganzen gewonnen zu haben; und selbst unsre Sitten sind, freilich wohl nicht moralisch besser, aber doch poetisch mannichfaltis ger geworden. Ist diese Bemerkung aber gegründet, so ist aus ihr und einigen neuern beifallswürdigen dramatischen Versuchen, ́für die größere Vervollkommung des deutschen Lustspiels günstige Hoffnung zu schöpfen.

II.

Johann Elias Schlegel.

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6. B. I. S. 298. Die dramatischen Arbeiten dieses allzu jung verstorbenen, und immer noch sehr schakenss würdigen Dichters unterscheiden sich von allen ähnlichen Wers ten seiner Vorgänger und Zeitgenøssen so sehr, daß man ihn als Schöpfer des bessern deutschen Geschmacks, sowohl in der komischen als tragischen Gattung, anzusehen hat. Schon in seinen Schuljahren arbeitete er an einer prosaischen Uebers sehung der Elektra des Sophokles, und entwarf bald hers nach ein eignes Trauerspiel. Während seines akademischen (Aufenthalts in Leipzig ermunterte ihn Gottsched zu fernern dramatischen Arbeiten; der Jünger war gar bald über seis nen Meister; und in der Gottschedischen deutschen Schaus bühne stechen die Schlegelschen Schauspiele gar sehr vor allen Abrigen hervor. Unstreitig aber sind die Verdienste dieses Dichters in der tragischen Dichtungsart größer, als in der tomischen. Seine Lustspiele sind: Der geschäftige Müffiggånger Der Geheimnißvolle Der Triumph der guten Frauen - Der gute Rath — Die ftumme Schöns heit Die Langeweile. Auch findet man in der Samms lung seiner Werke noch einige unvollendete dramatische Frage mente und Entwürfe. Den Werth dieser Stücke weiß ich nicht besser zu würdigen, als mit den Worten des oben anges

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führten

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