Imágenes de páginas
PDF
EPUB

Hypotheses. ., in Philosophia quae circa experimenta versatur, pro nihilo sunt habendae.

I. NEWTON.

„Optice", latine redd. S. Clarke (1740), Quest. XXXI, p. 329.

Witzige Einfälle verschaffen ihrem Autor bald den Namen eines geistreichen Mannes. Unter einer grossen Zahl solcher Einfälle werden ja auch wohl einige sein müssen, die sich schliesslich als halb oder ganz richtig erweisen; es wäre ja geradezu ein Kunststück, immer falsch zu rathen. In solchem Glücksfalle kann man seine Priorität auf die Entdeckung laut geltend machen; wenn nicht, so bedeckt glückliche Vergessenheit die gemachten Fehlschlüsse. Andere Anhänger desselben Verfahrens helfen gern dazu, den Werth eines „ersten Gedankens" zu sichern. Die gewissenhaften Arbeiter, welche ihre Gedanken zu Markte zu bringen sich scheuen, ehe sie sie nicht nach allen Seiten geprüft, alle Bedenken erledigt und den Beweis vollkommen gefestigt haben, kommen dabei in unverkennbaren Nachtheil. Die jetzige Art, Prioritätsfragen nur nach dem Datum der ersten Veröffentlichung zu entscheiden, ohne dabei die Reife der Arbeit zu beachten, hat dieses Unwesen sehr begünstigt.

In den Letterkästen eines Buchdruckers liegt alle Weisheit der Welt zusammen, die schon gefunden ist und noch gefunden werden kann; man müsste nur wissen, wie man die Lettern zusammenzuordnen hat1). So sind auch in den Hunderten von Schriften und Schriftchen, die alljährlich erscheinen über Aether, Beschaffenheit der Atome, Theorie der Wahrnehmung, ebenso wie über das Wesen der asthenischen Fieber und der Carcinome, gewiss schon längst alle zartesten Nüancirungen der möglichen Hypothesen erschöpft und unter diesen müssen noth

"

1) Dies Bild vom umgestürzten Schriftkasten kommt nach E. du Bois-Reymond, Culturgeschichte und Naturwissenschaft", Vortr. Köln 24. III. 1877, seltsamerweise schon bei den Alten vor (s. das Nähere in du Bois' „Reden", Bd. 1 (1886), p. 254).

wendig viele Bruchstücke der richtigen Theorie sein. Wer sie nur zu finden wüsste!

HELMHOLTZ.

,,Das Denken in der Medizin", Festrede Berlin militairärztl. Bildungs-Anst. 2. VIII. 1877.

s. Vorträge u. Reden, Bd. 2 (1884), p. 185.

De simples vues, quelque grandes, quelque heureuses qu'elles soient, ne peuvent, ni être mises sur la même ligne qu'une découverte précise et bien prononcée, ni diminuer le mérite de celle dont elles ont été le germe.

CONDORCET.

Oeuvres, Édition d'Arago, t. 2 (1847), p. 6/7.

Im Allgemeinen würde ich gegen

Phantasiespiele

nachsichtig sein, und ihnen nur die Aufnahme in die wissenschaftliche Astronomie, die einen ganz andern Character haben muss, nicht einräumen. Gehören doch auch Laplace's Cosmogenische Hypothesen in jene Classe. Ja, ich leugne nicht, dass ich selbst mich zuweilen auf ähnliche Art amusire, nur würde ich dergleichen nie publiciren. Es gehören dahin z. B. meine Gedanken über die Bewohner der Himmelskörper. Ich meinerseits bin (gegen die gewöhnliche Meinung) überzeugt (was man in solchen Dingen Überzeugung nennt), dass, je grösser die Weltkörper, desto kleiner die Bewohner und sonstige Producte. Z. B. auf der Sonne würden Bäume, die in demselben Verhältniss grösser wären als die unsrigen, wie die Sonne die Erde an Grösse übertrifft, gar nicht existiren können, denn wegen der so viel grössern Schwere auf der Oberfläche der Sonne würden alle Zweige von selbst abbrechen, insofern die Stoffe nicht ganz heterogener Art mit irdischen sind.

[ocr errors]

GAUSS an Schumacher

Göttingen, 7. XI. 1847.

s. Briefw. Gauss-Schumacher, Bd. 5 (1863), p. 394.

Gauss hielt es für möglich, mit Hülfe von Heliotropen eine telegraphische Correspondenz zwischen Mond und Erde zu errichten und hatte in Bezug auf diese Frage sogar die Grösse der erforderlichen Spiegel berechnet, woraus sich ergab, dass eine solche Correspondenz eventuel ohne grosse Kosten sich würde einrichten lassen. Das wäre eine Entdeckung, pflegte er zu sagen, noch grösser als die von Amerika, wenn wir uns mit unseren Mondnachbarn in Verbindung setzen könnten — hielt es jedoch nicht eben für wahrscheinlich, dass der Mond eine mit höherer Intelligenz ausgestattete Bevölkerung besitze. F. A. T. WINNEKCE.

,,Gauss" (Braunschweig 1877), p. 25/26.

Un savant doit rejeter, sans hésiter, toute hypothèse qui serait en contradiction avec les vérités révélées. Ce point est capital, je ne dirai pas dans l'intérêt de la religion, mais dans l'intérêt des sciences, puisque jamais la vérité ne saurait se contredire elle-même. C'est pour avoir négligé cette règle, que quelques savants ont eu le malheur de consumer en vains efforts un temps précieux qui aurait pu être heureusement employé à faire d'utiles découvertes. Et en effet, que de travaux remarquables eussent pu être ajoutés aux importants mémoires compris dans nos recueils scientifiques, si la religion eût toujours guidé la plume de ces auteurs qui ont cru pendant quelque temps avoir découvert que les zodiaques de Denderah et d'Esneh avaient douze mille ans de date, que l'homme descendait du polype, qu'il avait existé sur la terre de toute éternité, que le déluge était une fable, que la création de l'homme et des animaux était un effet du hasard, et que de nos jours encore on les voyait sortir de terre dans les îles du grand Océan, que les Américains formaient une espèce d'hommes distincte de la nôtre, etc.

AUGUSTIN CAUCHY.

,,Sept leçons de physique générale", Turin 1833, avec appendices par l'abbé Moigno (Paris 1868), p. 16.

E Scriptura quidem via ad salutem, non verò ad Mathematica, discenda.

O. v. GUERICKE.

„Experimenta nova de vacuo spatio" (Amsterdam 1672), liber VI, caput XVI, p. 218.

Die Wissenschaft in den einzelnen Erscheinungsgebieten verfährt mit äusserster Rücksichtslosigkeit gegen die übrigen Erscheinungsgebiete. Es ist ein durchgehender Zug, dass sie mit jedem ihrer Elementarmechanismen nur ein bestimmtes Erscheinungsgebiet zu construiren trachtet, völlig unbekümmert darum, ob dieser Mechanismus anderweit noch verwertbar ist. Dies geht soweit, dass die Erscheinungen eines Gebietes in ihrem verschiedenartigen Auftreten zuweilen mit verschiedenen Ausgangsvorstellungen in Verbindung gebracht werden, wie denn z. B. der Wärmestoff noch in der Lehre von der Wärmeleitung in Gebrauch ist, während die kinetische Gastheorie ihn in die lebendige Kraft der bewegten Gasteilchen verlegt und die Wärmestrahlung in die des schwingenden Aethers.

Wenn auch directer Widerspruch (wie z. B. continuirliche Raumausfüllung und chemische Molekel) als Monstrosität anzusehen ist, so ist doch im allgemeinen dies Vorgehen der Wissenschaft ein durchaus richtiges.

PAUL DU BOIS-REYMOND.

„Über die Grundlagen der Erkenntnis in den exacten Wissenschaften" (Tübingen 1890), p. 17/18.

Für die Unterwerfung eines neuen Gebietes unter die Theorie ist in vielen Fällen das Ausgehen von ganz bestimmten Vorstellungen über den Mechanismus des Vorganges nützlich gewesen. Ein Beispiel hierfür liefert die zur Erklärung der Cohäsionserscheinungen gemachte Annahme, dass die Körper aus discreten Molekülen bestehen, welche fernwirkende Kräfte auf einander ausüben; ein anderes die für die Electricitätstheorie so fruchtbare Hypothese, dass es Fluida von sehr ge

ringer Dichte giebt, die sich durch ausgeübte Kräfte innerhalb der ponderablen Körper bewegen lassen.

Es ist offenbar tief in der Organisation unseres Geistes begründet, dass die Benutzung solcher anschaulicher Bilder der uns ihrem Wesen nach unbekannten Vorgänge das Auffinden ihrer Gesetze erleichtert.

W. VOIGT.

Göttinger Nachr. 1895, Math.-phys. Kl., p. 259.

nur

Meine Begriffe über das Theoretisiren in den Erfahungswissenschaften sind die folgenden: Wer eine Theorie aufstellen will, muss sie auf alle damit in Bezug stehenden Thatsachen prüfen, ohne Vorurtheil zu Gunsten dieser Theorie, muss gleich offen ihre schwachen, wie ihre guten Seiten hervorheben. Er muss nie versuchen, Überzeugung hervorzubringen, wo Wahrscheinlichkeit ist; denn wer Probabilitäten als Wahrheit giebt, der wird, mit oder ohne Willen, ein Irreführer. Jeder Theoretiker muss Newton's Grundsätzen in dieser Hinsicht folgen, durch welche dieser unübertroffene Naturforscher noch die höchste Stelle behauptet, obgleich nach ihm ein Jahrhundert gefolgt hat, in welchem mehr für die Naturwissenschaften gemacht worden ist, als in der ganzen Zeit vor ihm. JAC. BERZELIUS an J. Liebig.

Stockholm, 14. XI. 1843.

s. „Berzelius und Liebig, ihre Briefe von 1831-1845", herausg. von J. Carrière (München u. Leipzig 1893), p. 251.

Hatte einst Napoleon in der Kapuzinergruft zu Wien gerufen: „Alles ist eitel mit Ausnahme der Kraft“, so strich jetzt Kirchhoff auf einer Druckseite die Kraft aus der Natur, jenen deutschen Professor beschämend, von dem Karl Moor1) erzählt, dass er sich vermass, trotz seiner Schwäche auf seinem Katheder das Wesen der Kraft zu behandeln, aber doch nicht diese zu vernichten.

1) Schiller, „Räuber", 1. Akt, 2. Scene.

« AnteriorContinuar »