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Erstes Kapitel.

Ackerboden- und Baubodenrente.

Kein Satz der theoretischen Sozialökonomik scheint mir so wohl begründet, fast möchte ich sagen, so selbstverständlich zu sein, wie die Grundrententheorie Ricardos. Freilich ist zu allen Zeiten die Zahl derer nicht gering gewesen, die mit einem der ersten Kritiker Ricardos überzeugt sind, dafs die Grundrententheorie „Unkraut in der politischen Ökonomie ist, und dafs ihr als verdientes Los beschieden sein müsse, unter der Last der eigenen Dummheit zusammenzubrechen". (Quarterly Review Vol. 36)

Derartige ungerechtfertigte Verdammungsurteile sind gewifs zum Teil daraus zu erklären, dafs man sich nicht die Mühe gab, die Lehre selbst zu verstehen, dafs man insbesondere aus ihr manches entnehmen wollte, was nicht hineingelegt worden war.

Ricardo war sich wohl bewufst, dafs seine Ausführungen nur Theorie sind, dafs sie für die Praxis keine unmittelbare Bedeutung haben, dafs sie lediglich ein Werkzeug sein können, welches richtig benutzt, allerdings auch dem praktischen Politiker wertvolle Dienste leistet. Unumwunden gab er in einem Briefe an Malthus zu, dafs er sei „too much disposed to undervalue the intermediate and temporary effects“, fügt aber gleich hinzu, dafs Malthus diese ebenso sehr überschätze, wie er sie unterschätze.

Mir scheint nun, dafs die Gefahr in das eine oder andere Extrem zu fallen, besonders nahe liegt bei den ProbAd. Weber, Über Bodenrente.

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lemen der modernen Stadtwirtschaft. Es ist ja naturgemäfs, dafs blofs lokale und temporäre Wirksamkeiten und Wirkungen, wirtschaftliche Gebräuche und Gewohnheiten um so mehr in die Augen fallen, je begrenzter das Gebiet ist, welches es zu beobachten gilt. Es mag sein, dafs dann bei der Fülle der Gegenwirkungen das theoretische Gesetz manchmal ganz verdunkelt, vielleicht in sein Gegenteil umgekehrt erscheint, und vorschnell mag der Forscher dazu kommen, wirtschaftliche Theorien aufzustellen, wo es sich in Wirklichkeit nur um „intermediate and temporary effects" handelt, während anderseits ein gänzliches aufser acht lassen derselben zu Resultaten führen würde, die doch allzu hypothetisch wären, um die Grundlage für die Erörterung wirtschaftspolitischer Probleme zu bilden.

Das gilt insbesondere auch, wenn die Frage nach dem Wesen der städtischen Bodenrente, nach den Umständen, die ihre Höhe bilden, aufgeworfen wird.

Schmoller hat ganz richtig beobachtet 1): „Die Verschiedenheit des Urteils über das Steigen der städtischen Bodenrente und des Häuserwertes scheint bei den einzelnen Schriftstellern wesentlich mit beeinflufst von verschiedener lokaler Beobachtung. Der eine hat Gegenden und Städte vor Augen mit mäfsiger Steigerung oder gar stillstehender Grundrente, wo eine grofse Spekulation fehlt, der andere hat die Gegenden und Städte beobachtet, wo die Spekulation und die Bauordnung ganz andere sind, wo ein starkes Mifsverhältnis von Angebot und Nachfrage, eine sehr starke Monopolrentenbildung, ja ihre Steigerung durch gefälschte Taxen und Preistreiberei vorhanden ist." Aber weil dem so ist, scheint es notwendig zu sein, sich zunächst auf deduktivem Wege einige Klarheit zu verschaffen, um sich nicht im Labyrinth der Tatsachen zu verirren.

Ich glaube, dafs Ricardo bei Aufstellung der Rententheorie nur an den Ackerboden gedacht hat. Manche seiner Verehrer behaupten allerdings das Gegenteil. Der Amerikaner Shearman führt z. B. aus 2), dafs Ricardo, der sein ganzes Leben in London zugebracht habe, ganz gewifs auch die

städtische Bodenrente beachtet und sie in Gedanken mit eingeschlossen habe, als er sein Bodenrentengesetz formulierte. Seine „prinziples" seien zu vergleichen mit den zehn Geboten, insofern als es ihm nur darauf angekommen sei, ein einziges, besonders klares Beispiel heraus zu greifen, um damit seine Regeln deutlich zu machen.

Rein äufserlich mag gegen diese Behauptung schon der Umstand sprechen, dafs Ricardo dem zweiten Hauptstück mit dem Titel „Von der Rente" ein solches über die Bergwerksrente folgen läfst, obwohl er ausdrücklich betont, dafs auch hier das nämliche Grundgesetz gelte, das er für die Ackerbaurente aufgestellt habe. Vor allem aber ist zu beachten, dafs die theoretischen Schriften Ricardos doch zugleich hervorragend praktisch in dem Sinne waren, als es sich darin um Probleme der Zeit handelte, wo sie geschrieben wurden, nicht um mögliche Probleme der Zukunft, oder solche der Vergangenheit. Die städtische Bodenrente war jedoch im Anfange des 19. Jahrhunderts kein Problem. In jener Zeit war ein auffallend hoher unverdienter Wertzuwachs in der Stadt so selten, dafs die Gerichte es wagen durften, in solchen aufsergewöhnlichen Fällen Urteile zu sprechen, die man heutzutage für unmöglich halten würde. So entschied im Jahre 1811 Lord Ellenborough: That wherever a man had so peculiarly favorable situated a piece of property that he had power to exact monopoly rates, it was part of the doctrine of the common law to limit him to reasonable rates so as to prevent him from taking an undue proportion of other men's wealth, because the policy of the Englisch law frowned upon monopoly and favored freedom."

Der erste, welcher eine theoretische Bemerkung über den städtischen Bauboden macht, ist, soweit ich sehe, William Thompson der Ältere. In dem Abschnitte seiner Untersuchung über die Grundsätze des Reichtums, wo er nachweisen will, dafs Reichtum durch Arbeit erzeugt werde, sagt er: „Der Wert von Baugrund hängt von der Menge der in Fuhren oder anderer Form geleisteten erforderlichen Arbeit ab und der Wahrscheinlichkeit einer

schnelleren Veräufserung oder Vermietung. Alle diese Werte lassen sich auf geleistete Arbeit zurückführen3)."

Etwas gröfseren Raum gewährt Sismondie in der 1827 erschienenen zweiten Auflage seiner „neuen Grundsätze" der Besprechung des städtischen Bodenertrages. Er weist darauf hin, dafs in den Städten Westamerikas, die erst vor zehn Jahren gegründet seien, in den besseren Stadtteilen der Boden viel teurer sei als in den schönsten Strafsen Londons. Im übrigen macht er hinsichtlich der städtischen Grundrente folgende Bemerkung: zuweilen ruhe der Nettoertrag, den die Natur gewähre, vollständig, während der Nettoertrag, den das Eigentum dem Monopol verdanke, an Wert zunehme. Die Gärten im Umkreise einer gröfseren Stadt brächten einen sehr erheblichen Zins; baue man jetzt eine Geschäftsstrafse durch diese Gärten, so werde der Boden vollständig aufhören zu produzieren, aber doch viel teurer verkauft werden, als wenn er von den reichsten Ernten bedeckt wäre. „Der Eigentümer wird sich den Vorzug des Ortes bezahlen lassen und aufserdem alle Früchte, auf deren Hervorbringung er verzichtet. Diese Verpachtung von Grund und Boden, den man daran verhindert, Früchte hervorzubringen, findet man in allen aufstrebenden Städten).“ In ähnlicher sagen wir es nur oberflächlicher Weise äufsert sich John Stuart Mill über die Baubodenrente 5). Mit Recht konnte jedenfalls Adolf Wagner in seiner Grundlegung der politischen Ökonomie sagen "): „Der Boden als Standort und das private städtische Grundeigentum ist in der Nationalökonomie bis vor kurzem noch sehr wenig genauer untersucht, meist nur nebenbei . . . berührt worden. Dies ist ein grofser Mangel."

...

Heute freilich darf man wohl behaupten, dafs die städtische Bodenrente in einem Mafse das allgemeine Interesse erregt, wie die Ackerbodenrente es nie vermochte. Es kann daher auch nicht wunder nehmen, dafs ihr die Wissenschaft in der Gegenwart erhöhte Aufmerksamkeit schenkt.

Die Ansicht derer, dafs der Ertrag des städtischen Bau

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