Imágenes de páginas
PDF
EPUB

ausfallen, so kann er doch durch fortschreitende Statistik berichtigt, verbessert, ergänzt und erweitert werden.

Bevor wir aber hieran schreiten können, sind noch die allge= meinen Gesichtspunkte zur Aufstellung unserer Preistabelle zu entwickeln.

II. Bur Aufstellung der Preistabelle.

1) Hauptrichtpunkte.

Wir haben gesehen, wie einschneidend die Beschränkungen sind, welche unser Untersuchungsgebiet sachlich und räumlich erfährt. Gleichwohl ist das verbleibende Gebiet noch so groß, daß eine sorgfältig detaillierte Preisuntersuchung innerhalb desselben uns wenig stens vorsichtige Schlüsse in Bezug auf Geldwertänderung, Lebensunterhaltskosten und ökonomische Lage der landwirtschaftlichen wie industriellen Unternehmungen ermöglicht. Nur kommt es, nächst der Wahl der Methode, darauf an, zur Aufstellung der Preistabelle Richtpunkte zu gewinnen, welche nach den ebengenannten Hinsichten genügenden Anhalt zu bieten vermögen. Im Hinblick hierauf ist Entscheidung zu treffen über die Grundlage für unsere Preistabelle, über Auswahl und Wichtigkeit der aufzunehmenden Artikel, sowie über die Zeiträume, bezüglich deren die Vergleichung stattfinden soll.

Die erste Frage ist die, welche Preisstatistik zur Hauptgrundlage der von uns aufzustellenden Tabelle zu nehmen sei.

Aus dem uns hierfür vorliegenden statistischen Material scheidet vor allem leider gerade die zuverlässigste Unterlage, die Statistik des Deutschen Reiches aus, weil sie nicht mit dem Anfang der siebziger Jahre, sondern mit dem Ausgang derselben (1879) beginnt. Die Statistik der größeren deutschen Bundesstaaten, insbesondere die preußische und bayerische, reichen zwar bis in die sechziger Jahre zurück, umfassen aber einen viel zu kleinen Kreis von Waren (Lebensmittel). Aehnlich steht es mit der italienischen Preisstatistik. Die Preistabellen des Economist find wohl zu einer

Vergleichung geeignet, sie können aber wegen des Systems der höchsten und niedrigsten Notierungen nicht zur Grundlage genommen werden. In noch höherem Maße gilt dies von den französischen und amerikanischen Preistabellen, welche, wie schon erwähnt wurde, nur auf offiziellen Schäßungen beruhen.

Es bleiben uns also zur Grundlage für die Aufstellung der Preistabelle nur die Zusammenstellungen des Hamburgischen Handelsstatistischen Büreaus, bei denen die Preise doch auf unmittelbaren und zuverlässigen Deklarationen der Geschäftsleute beruhen. Dieselben enthalten unter sieben Rubriken: Ackerbauprodukte, Produkte der Viehzucht und Fischerei, Südfrüchte 2c., Kolonialwaren, Bergwerks- und Hüttenprodukte, Tertilstoffe, Diverses, in Summa hundert Artikel 1). Für jeden Artikel ist der Durchschnittspreis für den vierjährigen Zeitraum von 1847-1850 gleich 100 geseßt und danach die Preissteigerung oder der Preisrückgang für jedes folgende Jahr bis 1885 prozentualisch berechnet.

Freilich fehlen dabei noch sehr wichtige Artikel, deren jährlicher Verbrauch in Europa und den Vereinigten Staaten nach Milliarden Mark zählt, so das Holz, der Mais, das Obst und Gemüse, Stroh und Heu, Steine und Ziegelsteine 2c. Immerhin sind aber die Aufzeichnungen doch die vollständigsten, die wir besigen, und auch für unsere Zwecke die relativ geeignetsten.

Wenn wir nun weiter über die Auswahl der Artikel für unsere Preistabelle Entscheidung zu treffen haben, so ist freilich zuzugeben, daß die Aufnahme einer recht großen Anzahl von Waren, wie Soetbeer sich dafür entschieden, ein umfassenderes Bild der Preisbewegung abgibt, — und ein solches ist an sich gewiß wünschenswert. Aber das umfassendere Bild muß hier keineswegs auch das richtigere sein, sobald die Quantenbewegung nicht berücksichtigt ist.

Gerade bei dem Geldwert und den Lebensunterhaltskosten kommt es ganz wesentlich darauf an, in welchem Quantenverhältnis die Waren gegen Geld eingetauscht werden; denn nur in eben diesem Verhältnis haben die Preise der einzelnen Waren auf die Aenderung des Geldwertes und der Lebensunterhaltskosten Einfluß.

1) Daran hat Soetbeer noch die Durchschnittspreise von 14 britischen industriellen Exportartikeln von 1847—1885 gefügt.

Werden nun bei den Preiszusammenstellungen viele Artikel, welche nur eine verschwindend geringe Bedeutung haben, als ebenso schwerwiegend behandelt, wie die allerwichtigsten Artikel, so können sie in ihrer Gesamtheit das Rechnungsresultat sehr stark nach oben oder nach unten hin ändern, obwohl in Wahrheit sich der Geldwert und die Lebensunterhaltskosten entweder gar nicht oder doch nicht in jenem Maße geändert haben. Es besteht dann die weitere Ge= fahr, daß aus der falschen Prämisse einer angeblichen Geldwertänderung auch falsche Schlüffe, z. B. in Betreff von Währungsfragen, gezogen werden.

Allerdings kann bei Aufnahme sehr vieler Artikel der Zufall gerade eine Ausgleichung bewirken, und dies ist sogar in Soetbeers Tabelle in einem gewissen Grade der Fall. Aber Zuverlässigkeit bietet dieser Weg nicht. Soetbeers Tabelle würde kaum für minder gewissenhaft erachtet worden sein, wenn die zehn Artikel Sago, Piment, Cassia lignea, Kochenille, Rotholz, Quecksilber, Kali, Pottasche, Guano, Wachs, gefehlt hätten, und doch wird durch fie das Resultat beträchtlich nach unten hin beeinflußt. Ebenso hätten leicht die Artikel Borsten, Büffelhörner, Guttapercha, getrock nete Fische, Kakao, Rum, Champagner, wegbleiben können; und doch sind sie es, welche in ganz erheblicher Weise auf das Resultat nach obenhin einwirken. So hilft also auch die Heranziehung einer großen Reihe von Artikeln nicht über das Dilemma von Zufall oder Willkür hinweg.

Anders aber, wenn es gelingt die Bedeutung der einzelnen Artikel mit zur Grundlage zu nehmen. Dann wird die Untersuchung sich nicht nur wesentlich vereinfachen, indem viele Artikel als fast ganz einflußlos weggelassen werden können: sondern die Resultate ruhen dann auch auf verläßlicherem Grunde.

Im Hinblick hierauf wollen wir unsere Auswahl unter den belangreichsten Waren treffen und halten uns zu diesem Zwecke die Hauptbedürfnisse mittlerer Lebensführung an Nahrungs- und Genußmitteln, Kleidung, sowie Wohnungs- und Arbeitsutensilien gegenwärtig. Dabei beschränken wir uns hauptsächlich auf Rohstoffe, da ausreichende Preisangaben über die vielartigen und so zahlreichen Fertigfabrikate in der Statistik keines Landes vorliegen. Auch kann so die Darstellung bis zu einem gewissen Grade an Einheitlichkeit und Folgerichtigkeit gewinnen, was im einzelnen an einer

etwa möglichen aber heute jedenfalls noch ganz unzureichenden Spezialisierung verloren geht. Als Begrenzung für die Wahl der Stoffe soll uns der Gesamtkonsumwert eines Artikels in Europa und den Vereinigten Staaten von in minimo einer halben Milliarde pro Jahr dienen 1).

So finden wir für die erste Abteilung (Nahrungs- und Genußmittel) 12 Rohstoffe, welche die Nahrung 2) repräsentieren, und zwar 5 vegetabilische, Weizen, Roggen, Kartoffeln, Mais und Reis und 7 animalische, Rindfleisch, Schweinefleisch, Hammelfleisch, Milch, Butter, Käse und Eier; woran sich 7 Genußmittel schließen: Wein, Gerste (als Repräsentantin des Bieres), Zucker, Spiritus, Tabak, Kaffee und Thee. In der zweiten Abteilung folgen die Rohstoffe für Kleidung: Baumwolle, Schafwolle, Flachs, Hanf, Rohseide und Leder. Die dritte Abteilung wird durch 6 Rohstoffe gebildet, welche auf Wohnung und Produktion Bezug haben: Kohle, Eisen, Kupfer, Blei, Holz und Petroleum. Wir sehen, daß in der ersten und zweiten Abteilung die landwirtschaftlichen Produkte, in der dritten Abteilung die industriellen Produkte vorwiegen.

Damit aber aus der Preisbewegung dieser 31 Waren einigermaßen berechtigte Schlüsse über Geldwert- und Lebenskostenänderung abgeleitet werden können, muß die Wichtigkeit der einzelnen Artikel annähernd festgestellt und in Rechnung gezogen werden.

Zu diesem Zwecke ist für jeden Artikel, je nach dem durchschnittlichen jährlichen Verbrauch desselben beziehungsweise nach seinem Austausch gegen Geld (in Europa und den Vereinigten Staaten), und zwar nach Milliarden Mark, ein Wichtigkeitskoeffizient zu bilden. Wo keine Angaben über den Verbrauch vorliegen, ist auf die Produktionshöhe beziehungsweise den Verkaufspreis zurückzugreifen, wobei freilich die Differenz in den Lagerbeständen zu Anfang und Ende jedes Jahres vernachlässigt wird. Die Wertfeststellung der Produktion muß dann in erster Reihe nach etwa vorliegenden bestimmten Preisschäßungen erfolgen; wo solche fehlen, werden wir zu den Hamburger Durchschnittspreisen der lezten Jahre

1) Daher können Artikel wie Hopfen, Salz, Zink, Zinn 2c. nicht berücksichtigt werden.

2) Vgl. hierzu Tabelle II am Ende, enthaltend Nahrungsmittelpreise im Durchschnitt der bemerkenswerteren Orte des Königreichs Preußen.

greifen, wozu die exzeptionelle Lage dieses Handelsplages einiges Recht gibt.

Eine Schwierigkeit bietet noch der Umstand, daß bei einigen Waren bedeutend mehr verbraucht als gegen Geld ausgetauscht wird. Ohne Frage ist das z. B. bei Weizen, Roggen, Gerste, Mais, Milch, Butter und Eiern der Fall. Diese Artikel werden, wie sie als „ursprüngliches und unmittelbares Einkommen“ erworben werden, zum Teil auch als solches direkt konsumiert. Hier fehlt nun jeder Anhalt: man ist wieder an die Grenzen der Statistik gemahnt, selbst auf dem ihr an sich zugänglichen Gebiete 1). Leider muß da zu Schäßungen gegriffen werden, welche um so zweifelhafter sind, je größer das Ländergebiet und das Quantum ist, das sie umfassen. Vor Ermittelung der Wichtigkeitsziffern ist nun nur noch einiges über die zu vergleichenden Zeiträume zu bemerken.

Der „Economist" wählt als Ausgangspunkt für seine Vergleichungen die 6 Jahre von 1845-1850, Soetbeer den Zeitraum von 1847-1850. Aus den Aufstellungen beider geht hervor, daß die Erhöhung im allgemeinen Preisniveau, welche nach den reichen kalifornischen und australischen Goldfunden eintrat, sich in den sechziger Jahren behauptet hat. Will man nun einen Vergleichungspunkt für die wirtschaftliche Lage in den achtziger Jahren gewinnen, so kann dies schwerlich mehr der Zeitraum vor 1850 mit seinen so ganz verschiedenen Geld- und Warenmarktsverhältnissen sein. Passender wird vielmehr der Zeitraum von 1861 bis 1870 an seine Stelle gesezt. Einmal trägt dieser bereits die Züge moderner Produktion und moderner Absaßgestaltung in allen großen Wirtschaftszweigen. Sodann ist er fast gleichweit entfernt von den nächsten Wirkungen der großen kalifornischen und australischen Goldentdeckungen wie von der später hervorgetretenen stärkeren Neigung zu Goldgeld und industrieller Goldverwendung. Endlich steht dieser Zeitraum, auch was die Art zu leben betrifft (Lebenshaltung,

1) Dies raubt dem feststellbaren Kerne nicht Wert und Beweiskraft. Man fühlt sich geneigt, mit dem Worte W. H. R. v. Riehls in der meisterhaften Erzählung „Die Lüge der Geschichte“ auch zu sprechen von einer „statistischen Wahrheit“ und von der „Lüge der Statistik“. Ueber das der Statistik überhaupt unerreichbare Gebiet vgl. den geistvollen Aufsaß desselben Schriftstellers in „Freie Vorträge", II. Sammlung, Stuttgart 1885, „Die statistische Krankheit“, S. 247

bis 292.

« AnteriorContinuar »